Nach den Unwettern wird diskutiert, wann in Deutschland die Warn-SMS eingeführt wird. In Japan, den USA, Israel und den Niederlanden wird sie seit vielen Jahren in Extremsituationen versendet. In Deutschland gibt es Warn-Apps, die von vielen kritisch gesehen werden. In Zukunft dürfte es auf einen Mix aus analoger und digitaler Technik hinauslaufen, um die Bevölkerung rechtzeitig zu warnen.

Bei den Unwettern in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind fast 200 Menschen gestorben. Viele werden noch vermisst. Hätte man die Bewohner der Gebiete frühzeitig gewarnt, wären die Zahlen womöglich geringer. Dass die in Deutschland genutzten Warn-Apps nicht ideal sind, haben wir bereits berichtet.

Das wissen auch Politikerinnen und Politiker. Doch wie Warnungen in zukünftigen Extremsituationen aussehen, ist bislang unklar. Es sind aber immer mehr Stimmen zu hören, die sich dafür aussprechen, dass bestehende Systeme überdacht werden müssen. So will Reinhard Sager (Präsident des Deutschen Landkreistages) die Warnmöglichkeiten per Handy verbessern. Diesen Vorschlag machte er in einem Interview mit der Rheinischen Post.

Dagegen schlägt der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Armin Schuster, vor, dass es wieder mehr analoge Warnmittel geben müsse. Damit gemeint sind zum Beispiel Sirenen, die auch bei einem Zusammenbruch des Mobilfunknetzes warnen.

Deutschlandfunk-Nova-Netzautor Konstantin Köhler sagt, dass Warnungen Leben retten könnten – wenn sie rechtzeitig versendet werden.

"In Deutschland wurde über die Warn-App Katwarn am vergangenen Mittwoch um 23:09 Uhr – also vor der eigentlichen Hochwasserkatastrophe – eine Warnung verbreitet. Darin stand, dass die Bewohnerinnen und Bewohner aus Neuenahr-Ahrweiler, die 50 Meter rechts und 50 Meter links der Ahr wohnen, ihre Häuser verlassen sollen."
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Netzautor

Das sei eine ziemlich akute Meldung gewesen, sagt Netzautor Konstantin Köhler. Wie pünktlich und zuverlässig diese Meldung angekommen ist, sei schwer zu sagen. Das müsse analysiert werden. Die Katwarn-App ist eine der zwei deutschen Warn-Apps für iPhones und Android-Handys. Ziemlich verbreitet ist in Deutschland außerdem die Nina-Warn-App. Nina wird vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe herausgegeben. Die Katwarn-App ist das Pendant. Sie wurde von der Frauenhofer-Gesellschaft entwickelt.

Ob diese Apps ausreichen, ist schwer zu sagen. Beim bundesweiten "Warntag" im vergangenen Jahr ist viel schief gelaufen. Auch bei den Warn-Apps. Und auch heute bekommen die Apps in Sachen Zuverlässigkeit nicht unbedingt gute Noten.

"Es gibt zum Beispiel die Befürchtung, dass im Zweifelsfall die Netze überlastet sind und die Warnungen in den Apps gar nicht rechtzeitig ankommen"
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Netzautor

Geschwindigkeit sei wichtig, so Konstantin weiter. Denn bei einem Brand oder einer heftigen Überschwemmung können wenige Minuten entscheidend sein. Die Warnung muss die Menschen dann also schnell erreichen. Und klar ist natürlich auch: Informationen können nur diejenigen erreichen, die die App auch installiert haben - und das ist bei der Mehrzahl der Deutschen noch nicht der Fall.

"Viele andere Länder setzen auf die gute alte SMS. Es gibt eine Technik, die nennt sich Cell-Broadcast. Darüber können die Netzbetreiber an alle Handys ungefragt eine SMS schicken. Diese Technik ist recht robust, weil da geringe Datenmengen versendet werden."
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Netzautor

In Deutschland fehlt das Bewusstsein für Cell Broadcast

Eine Alternative zur Warn-App sind SMS, die in vielen anderen Ländern im Katastrophenfall versendet werden. Bei der Nutzung von Cell-Broadcast erreichen Warn-SMS auch Leute ohne Warn-App, weil die Nachricht an alle Handys in einer Funkzelle verschickt wird. Diese Funkzellen unterscheiden sich in ihrer Reichweite, je nachdem, ob sie in der Stadt oder auf dem Land eingesetzt werden. Länder wie die USA, die Niederlande, Japan und Israel setzen sie schon ein, erklärt Konstantin. Der Nachteil an der Technik ist, dass sie nicht funktioniert, wenn das Mobilfunknetz ausfällt.

In Deutschland wird die Technik nicht verwendet. Konstantin vermutet, dass in Deutschland das Bewusstsein dafür bisher gefehlt habe.

"Es gab vermutlich nicht das Bewusstsein, dass so etwas nötig sein könnte. Denn bislang gab es in Deutschland ja noch keine Katastrophen. Und außerdem gibt es ja schon diese zwei Warn-Apps."
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Netzautor

Allerdings wird seit einigen Monaten die Warnmethode per SMS geprüft. Das sagte Armin Schuster, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe im Deutschlandfunk.

Offenbar haben die Folgen des Hochwassers zum Umdenken in der Strategie geführt, vermutet Konstantin. Er erklärt, dass die Einführung des Cell Broadcast politisch beschlossen werden müsse. Technisch sei das Verfahren leicht umsetzbar, sagt Konstantin Köhler. Das bestätigte der Telefonanbieter Vodafone auf Nachfrage. Unabhängig davon, ob die Warn-SMS in Deutschland eingeführt wird, müssten die Warn-Apps verbessert werden, so Konstantin. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz will auch Sirenen wieder einsetzen. Am Ende könnte es also auf einen Mix aus analogen und digitalen Warnmethoden hinauslaufen.

"Die SMS wäre ein Weg dazwischen. Etwas zwischen Sirene und Warn-App."
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Netzautor
Shownotes
Unwetterkatastrophe
Kritik am Katastrophenschutz - warum es keine Warn-SMS gibt
vom 20. Juli 2021
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Netzautor