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Explosionsserie, Folter, angeworbene Jugendliche: Ein Drogenfall in Köln zeigt, wie professionell Gewalt heute organisiert wird. Wir klären: Wie funktioniert das System dahinter? Und wie gefährlich könnte diese Entwicklung werden?

Hornbrille, blass, schwarze Kleidung, Schnäuzer – Sermet A. wirkt im Gerichtssaal unauffällig. Aber der 24-Jährige ist mutmaßlich der Anführer einer Drogenbande. Am Landgericht in Köln beginnt gerade (08.12.2025) der Prozess gegen ihn. Jonas Panning, unser Korrespondent für NRW, ist am ersten Verhandlungstag vor Ort im Landgericht Köln.

In großem Maße mit Drogen gehandelt

Der Angeklagte mag unauffällig wirken, aber die Liste der über 30 Anklagepunkte, die ihm vorgeworfen werden, ist auffällig lang. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft soll er ab 2023 in großem Ausmaß mit Drogen gehandelt haben: unter anderem mit Heroin, Kokain, Marihuana und Ecstasy. Und nicht nur im Kölner Raum sei er aktiv gewesen, davon geht die Staatsanwaltschaft aus, sondern unter anderem auch in Frankfurt am Main, in München und in Dresden.

40 Verhandlungstage sind angesetzt. Mindestens bis zum nächsten Sommer wird der Hauptangeklagte vor Gericht stehen, berichtet unser Korrespondent.

"Das hat die Stadt in dieser Form noch nie gesehen. Und das hat vom Ausmaß der Gewalt her auch Ermittlerinnen und Ermittler ziemlich überrascht."
Jonas Panning, Deutschlandfunk-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen

Die Gewaltserie, die der mutmaßliche Drogenhändler Sermet A. im Sommer 2024 im Kölner Raum beauftragt haben soll, hat die Behörden und die Stadt in Atem gehalten: Schüsse, Entführungen, Folter und Explosionen. Die Brutalität der Gewalttaten erreichte ein in Köln bis dahin unbekanntes Ausmaß.

"Man bestellt sich Straftäter entgeltlich, die dann für einen Straftaten verüben, um Drohungen auszusprechen und Gewalt zu platzieren im öffentlichen Raum."
Oliver Huth, Beamter beim Landeskriminalamt und NRW-Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter

Grund für den Beginn der Gewaltserie soll der Diebstahl von 350 Kilogramm Marihuana im Wert von rund anderthalb Millionen Euro gewesen sein. Sermet A. wollte sich diese Drogen mutmaßlich unter dem Einsatz von Gewalt zurückholen.

Dafür sollen er und seine Helfer im Netz mutmaßlich gezielt junge Männer für Straftaten angeworben haben. Diese sollen beauftragt worden sein, durch Drohungen und Gewalttaten bei der Wiederbeschaffung des gestohlenen Marihuanas mitzuhelfen.

Gewalt gegen Geld: Crime as a service

Dieses Ausmaß an Gewalt im Drogenmilieu ist neu in Deutschland, aber nicht im europäischen Ausland, sagt Oliver Huth, der als Beamter beim Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen arbeitet. Der Experte für Clan-Kriminalität beobachtet diese Entwicklung in benachbarten Ländern bereits seit einer Weile.

Anwerbung von gewaltbereiten jungen Männern

Die Anwerbung gewaltbereiter junger Männer, die für geringes Geld Straftaten begehen, sei ein Phänomen, über das seine europäischen Kollegen und Kolleginnen zum Beispiel aus Belgien, den Niederlanden und aus Schweden bereits seit einigen Jahren berichteten, erklärt er.

Immer häufiger würden Ermittler auf junge Menschen stoßen, die ab einem Alter von 20 Jahren und darüber in der Organisierten Kriminalität bereits Fuß gefasst hätten.

"Was wir europaweit wissen, ist, dass Jugendliche über Internetspiele angesprochen werden. Darauf reagieren die Jugendlichen, weil sie perspektivlos sind."
Oliver Huth, Beamter beim Landeskriminalamt und NRW-Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter

Die Entwicklung in europäischen Nachbarländern besorgt LKA-Beamte wie Oliver Huth. Er befürchtet, dass die Gewalt unter den Mitgliedern von Drogenbanden weitere Eskalationsstufen erreichen könnte – beispielsweise, dass Schießereien auf offener Straße geschehen könnten.

Während es in Nordrhein-Westfalen in diesem Zusammenhang zu rund zehn Explosionen kam, lag die Zahl in den Niederlanden bereits bei ungefähr 1.000, sagt der NRW-Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Immer häufiger würden diese Taten von Jugendlichen begangen, die über Chatfunktionen in Internetspielen angeworben und von Hintermännern mit Sprengstoff oder ähnlichem versorgt werden.

Jugendliche Straftäter sind schlechte Zeugen

Diese Jugendlichen würden angeworben, weil sie keine Informationen zu den Auftraggebern haben und daher schlechte Zeugen für Ermittler sind, wenn sie erwischt werden, erklärt Oliver Huth die Vorgehensweise der Drogenhändler.

Zudem führten Jugendliche, die im Netz für Straftaten akquiriert werden, diese für zum Teil 500 bis 2.000 Euro durch, erklärt unser Korrespondent. Oft seien sie perspektivlos und begehen daher für wenig Geld schwere Straftaten, sagt Oliver Huth.

Jugendliche Straftäter, die im Ausland angeworben werden – zum Beispiel in den Niederlanden – seien zudem schwer zu identifizieren, sagt der LKA-Beamte. Oft machten sie sich deswegen nicht einmal die Mühe, ihr Gesicht zu verhüllen.

Hohe Zahl von Jugendlichen in Schweden in Verbindung mit organisierter Drogenkriminalität

Junge Menschen in Deutschland müssten davor geschützt werden, dass sie von Kriminellen für Straftaten angeworben werden, fordert Oliver Huth deshalb. In Schweden gebe es bereits eine fünfstellige Anzahl von Jugendlichen, die zum Teil noch nicht strafmündig seien, die in Zusammenhang mit organisierter Drogenkriminalität gebracht würden.

Dass diese Zunahme der Gewalt und die Verwicklung von Jugendlichen darin auch Deutschland erreichen könnte, sei nicht auszuschließen und alarmiert Kriminalbeamte wie ihn.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Kölner Drogenprozess
Wie Kriminelle sich Gewalt kaufen
vom 08. Dezember 2025
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Oliver Huth, Beamter beim Landeskriminalamt und NRW-Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter
Gesprächspartner: 
Jonas Panning, Deutschlandfunk-Landeskorrespondent für Nordrhein-Westfalen