In der dritten Folge unserer Serie "Ohne Müll" stellt Reporterin Kerstin Zero Waster und Minimalisten vor – und erklärt, warum sie manchmal auch beides sind.
Zwei Jahre Müll im Einmachglas – Kathryn Kellogg aus der Bay Area
Da ist zum Beispiel Kathryn Kellogg. Sie ist um die 30, lebt mit Mann und Hund in der Bay Area, also in der Nähe von San Francisco und all der Müll, den sie in den vergangenen zwei Jahren produziert hat, passt in ein 0,5-Liter-Einmachglas. Auf ihrer Webseite goingzerowaste.com bloggt über ihren Zero-Waste-Lifestyle. Wobei sie den Begriff eigentlich ein bisschen irreführend findet.
Kathryn glaubt nämlich, dass Zero, also null, eine falsche Vorstellung auslöst. Und sie sagt, dass sie es persönlich ja auch nur schafft, so wenig Müll zu produzieren, weil sie in der Bay Area wohnt. Hier ist es vergleichsweise einfach, verpackungsfrei einzukaufen – im Gegensatz zu den meisten anderen Regionen in den USA.
Was Kathryn besonders wichtig ist: Sie will mit dem Begriff Zero Waste niemanden entmutigen, der am Konzept "null Müll" scheitert. Weil am Ende jede etwas machen könne. Was genau, dafür hat sie auf ihrer Webseite alle möglichen Tipps gesammelt: Von ganz einfachen Sachen, wie einen Jutebeutel zum Einkaufen mitzunehmen und sich eine Trinkflasche aus Edelstahl anzuschaffen, bis hin zu Rezepten für selbst gemachten Badreiniger, für Deo oder Zahnpasta.
Spätestens bei Verpackungen hört es für die meisten auf. Weil im Supermarkt ja so ziemlich alles schon verpackt ist - von der Biogurke bis zum Reis. Und genau da geht die Challenge los: Dinge finden, die es unverpackt zu kaufen gibt - und Läden, die diese Dinge führen. Kathryns Tipp: Einfach mal zu Fuß im Heimatort rumlaufen und gucken, in welchen kleinen Läden ihr Sachen lose kaufen könnt. Und dann Eigene Beutel oder Schraubgläser mitbringen, damit ihr die Waren auch mitnehmen könnt.
"Just doing what you can. As long as you’re being mindful of what you’re doing, I think that’s the most important part. So, I try to focus on the big picture of all the good that I’m doing, rather than the few things I can’t change."
Am einfachsten geht das auf dem Markt, doch selbst da wimmelt es noch von Plastiktüten. Kathryn macht da aber nicht mit, sondern fragt am Gemüsestand, ob die Verkäuferin ihr den Salat aus dem Plastikbeutel in ihren mitgebrachten Stoffbeutel umfüllen kann. Das Problem: An einigen Ständen wird die Verpackung, die Kathryn zurücklässt nicht wiederverwertet. Und das sind die Stände, die Kathryn meidet.
Trotzdem ist auch Kathryn noch lange nicht beim vollständigen Verzicht auf Müll angelangt. Sie recycelt noch so Einiges - und das steckt dann eben nicht in ihrem Einmachglas, in dem sie den Müll sammelt. Aber sie will auch gar nicht perfekt sein. Nicht umsonst hat sie ihre Webseite going zero waste genannt.
Ein Stück Seife und kein Klopapier – Olga Kroll in Köln
Auch Olga Kroll weiß, dass das Leben als Zero Wasterin nicht immer einfach ist. Sie ist Mitte 30 und lebt in Köln, mit Mann und vier Kindern. Und sie nimmt das Thema Zero Waste so ernst, dass sie inzwischen mit ihrem Mann einen eigenen Unverpacktladen aufgemacht hat: Tante Olga.
Vor ein paar Jahren hatte Olga ein Schlüsselerlebnis, das eigentlich ziemlich unspektakulär war. Sie bemerkte, dass sie nach jedem Einkauf im Anschluss direkt den Gelben Sack runterbringen konnte. Und dann stieß sie eben auf die Zero-Waste-Idee – auf Menschen, die ohne Müll leben. Und das wollte sie auch. Ganz bei null ist aber auch sie nicht angelangt. Das obligatorische Einmachglas mit dem gesammelten Müll der letzten Jahre fehlt bei Olga und ihrer Familie. Weil Olga es doch irgendwie albern findet. Es müsse auch nicht jeder versuchen, komplett auf Müll zu verzichten. Sie hat da eine eigene Rechnung aufgestellt: Mit 20 Prozent Aufwand 80 Prozent des eigenen Mülls zu reduzieren.
Bei Olga zuhause fällt mittlerweile sehr wenig Müll an. Und das mit zwei Erwachsenen und vier Kindern. Olgas Geheimrezept: Weniger Konsum. Das heißt konkret, dass Olga im Badezimmer genau eine Seife benutzt: für Gesicht, Körper und Haare - und daraus macht sie sogar ihr Waschmittel selber. Das geht besonders gut mit Alepposeife – eine Naturseife aus Oliven- und Lorbeeröl. Sogar Klopapier gibt es bei Olga nur für Gäste. Für die eigene Familie setzt sie auf eine Hygienebrause und ein Handtuch zum Abtrocknen.
Aber natürlich gibt es auch Ausnahmen: Unterwäsche kauft auch Olga neu. Und ihre Kinder nutzen zum Beispiel Shampoo in Plastikflaschen. Und mit ihrem Taschengeld dürfen die sowieso kaufen, was sie wollen. Und wenn es eine Tüte Chips oder ein Haufen Schokoriegel sind.
Sie selbst sei anfangs sehr extrem gewesen und habe versucht, alles selber zu machen, sagt Olga. Von der Kleidung bis zu den Nudeln. Inzwischen konzentriert sie sich mehr darauf, anderen Menschen das Zero-Waste-Prinzip zu vermitteln, anstatt zu lange darüber nachzudenken, auch noch das letzte Stück Plastik einzusparen.
Was Olga besonders interessant findet: Oft ging es vor allem darum, Gewohnheiten umzustellen. Aber das braucht Zeit. Geduld ist also auch ein Schlüssel zum Zero-Waste-Glück. Heute hat Olga nicht mehr das Gefühl, auf irgendwas zu verzichten.
"Das ist ähnlich wie mit Vegetariern: Die sitzen jetzt auch nicht vor einem Steak und weinen, dass sie das nicht essen können. Das ist einfach eine innere Entscheidung, dass man das nicht mehr will - und die trägt einen dann."
Bleibt die Frage, was es bringt, wenn einzelne Leute wie Olga anfangen, weniger Müll zu produzieren. Olga glaubt an die Macht der Verbraucher. Schließlich seien die Konzerne von uns abhängig. Und es hat sich gezeigt: Wenn einer den Anfang macht, dann ziehen andere nach. Kalifornien hat zum Beispiel vor zwei Jahren Plastiktüten verboten - und inzwischen gibt es die auch bei uns in Deutschland nur noch gegen Geld.
Ohne Müll und mit Hühnern - Familie Keets in Santa Cruz
Und dann hat Kerstin noch Kevin und Meghan Keets aus Santa Cruz, Kalifornien getroffen. Sie wollten das Mal ausprobieren: so wenig Müll wie möglich zu produzieren - zusammen mit ihren beiden Töchtern. Der Plan: zwei Wochen Hardcore Zero Waste. Die Keets stellten ein großes Einmachglas auf ihren Küchentresen - und da sollte dann alles rein, was in den zwei Wochen an Müll anfällt. Inklusive Recycling.
Und das hat überraschend gut funktioniert, sagt Kevin Keets. Denn am Ende der zwei Wochen war das Glas nur etwa zu einem Drittel gefüllt. Vor allem mit Kassenbons und Aufklebern, von Obst und Gemüse und ähnlichen Dingen. Sogar die beiden Töchter Harper und Elaida, sieben und neun Jahre alt, hatten Spaß an dem Projekt.
Zero Waste führte dazu, dass sich die Keets gesünder ernährten, viel weniger Zeit mit Einkaufen verbrachten und insgesamt einfach bewusster lebten. Und auch sie empfanden das nicht als Verzicht, sondern als Bereicherung.
"It kind of gives you peace - in kind of a weird way. The idea that you can't buy anything kind of frees you up to do other things."
Kevin gibt aber auch zu: Anfangs war das mit dem Einkaufen von Lebensmitteln und allem, worauf sie nicht verzichten konnten, kompliziert. Denn selbst im progressiven Santa Cruz ernteten sie befremdete Blicke, wenn die Keets beim Metzger ihre mitgebrachte Dose über den Tresen reichten.
Rückblickend glaubt Kevin, dass er vielleicht ein bisschen hartnäckiger hätte sein können. Aber er fühlte sich eben auch ein bisschen komisch. Auch mit den mitgebrachten Gläsern an der Kasse: Dass deren Gewicht dann abgezogen werden musste, war eine Umgewöhnung. Aber irgendwann ging es dann. Und dann war es plötzlich ganz einfach.
Und trotzdem haben sie die Sache irgendwann aufgegeben. Und das lag vor allem daran, dass ihre Kompostlösung gestorben ist. Die Keets hatten nämlich keine Biotonne oder einen Komposthaufen im Garten, sondern Hühner, denen sie ihre Essensreste und Obst- und Gemüseschalen zum Fraß vorwerfen konnten.
Die Hühner fraßen und verscharrten die Reste im Stroh. Der optimale Kompost-Mix aus nass und trocken ergab sich so automatisch. Das war einfach und billig, weil sie eben auch kein extra Hühnerfutter brauchten - und es sprangen sogar noch Eier dabei raus.
Das Problem: Nach und nach starb ein Huhn nach dem anderen: Einige wurden von Waschbären gerissen, einige Küken stellten sich als Hähne heraus, fingen an zu krähen und nervten damit die Nachbarn. Also wurden sie geschlachtet. Und irgendwann besorgten sich die Keets dann keine neuen Hühner. Die Folge: Der Kompost blieb auf dem Hof liegen - und die Keets fingen wieder an, Essensreste und Gemüseschalen in die Restmülltonne zu schmeißen. Und als die Kompostlösung wegfiel, brach bei den Keets das ganze Zero-Waste-System zusammen.
Familie Keets wurde dann ziemlich schnell nachlässig - auch, weil es auf Dauer doch anstrengend war, manche Sachen unverpackt zu kaufen. Und sie dann auch nicht mehr die Zeit hatten, sich immer eine Zero-Waste-Alternative zu überlegen.
Als Zero-Waste-Familie würden sie sich heute nicht mehr bezeichnen. Kevin kauft jetzt zum Beispiel wieder manchmal online ein. Trotzdem haben die meisten Gewohnheiten überlebt: Generell unverpackte Lebensmittel einkaufen und den Kindern das Mittagessen in eine wieder benutzbare Dose packen.
Letztlich sei das ganze Zero-Waste-Ding doch ein Lernprozess, findet Kevin. Man gewöhne sich dran, finde Wege, anderen zu erklären, warum man das so macht - und fühlt sich nicht mehr so komisch dabei. Für die Keets ist es auch wichtig, nicht über andere zu urteilen: Während sie weiterhin versuchen, ihren Müllberg so klein wie möglich zu halten, meckern sie also nicht an dem rum, was andere machen.
Auch, wenn die Keets ihre Hardcore Zero-Waste-Zeiten hinter sich gelassen haben: So ganz lässt sie das Thema nicht los. Meredith schreibt jetzt einen Blog und möchte noch dieses Jahr einen kleinen Unverpacktladen in Santa Cruz aufmachen.
Minimal anders – Ryan Nicodemus und Joshua Fields Millburn
Wer versucht, wenig bis keinen Müll zu produzieren, kommt früher oder später an den Punkt, an dem er oder sie generell weniger von allem braucht. Stichwort: Minimalismus. Ryan Nicodemus und sein Kumpel Joshua Fields Millburn sind Mitte, Ende 30 und bloggen seit ein paar Jahren als "The Minimalists" über ihren Lifestyle mit weniger Zeug. Sie nutzen Minimalismus, um Platz zu machen für die wichtigen Dinge im Leben, erklärt Ryan. Und das sind eben keine Dinge.
Ryan geht es dabei weniger um den Planeten, als vielmehr um sich. Zum Beispiel darum, mehr Zeit zu haben. Dass er jetzt schneller mit Putzen fertig ist und seltener den Müll rausbringen muss, sind für ihn angenehme Nebeneffekte.
Angefangen hat dieses Minimalismusding mit Joshua. Der fing irgendwann an, alle seine Sachen zu verkaufen. Und dann haben die beiden auch bei Ryan zu Hause eine Packparty veranstaltet. Sie packten im Prinzip Ryans komplette Einrichtung ein - so, als ob er umziehen wollte. Und dann durfte er die nächsten drei Wochen nur das auspacken, was er brauchte.
Am Ende der drei Wochen waren 80 Prozent seines Krams noch in den Kisten. Für Ryan der Minimalismus-Schlüsselmoment. Seitdem trägt er auch nur noch ein Outfit: Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Weil es ihm gutsteht und es zu allem passt. Und es ist bisher auch niemandem aufgefallen – außer seiner Freundin.
Ryan und Joshua nennen sich The Minimalists. Auf ihrer Webseite erklären sie, wie Minimalismus für sie funktioniert. Und mittlerweile sind sie damit so erfolgreich, dass sie ihre Bürojobs hingeschmissen haben und bloggen und rumreisen, um Vorträge zu halten. Ein bisschen Geld nebenher verdienen sie auch noch - aber mit Dingen, die ihnen Spaß machen: Joshua gibt Schreibkurse und Ryan arbeitet als Mentor.
"With minimalism, as soon as I reach whatever horizon it is I see, there's another horizon. There is no end game to it."
Mit Zero Waste hat Minimalismus nur bedingt zu tun. Auf jeden Fall führt Minimalismus nicht unwillkürlich zu Zero Waste. Andersrum schon eher. Und bei beidem ist es so, dass fast niemand das Ziel ganz erreicht. Das ist so ähnlich wie beim Kung-Fu, meint Ryan. Denn da versuchten sogar die Meister ein Leben lang, noch ein kleines bisschen besser zu werden.
"Ich erzähle Euch von diesen Leuten, damit Ihr Euch inspirieren lasst. Die haben nämlich auch alle irgendwann mal angefangen - mit einer Sache. Also seid nicht frustriert, wenn es bei Euch mal nicht klappt mit der Müllvermeidung."
Zero Waste ist eine indiviuelle Sache und eine Herzensangelegenheit
Zero Waste ist also oft eine ganz persönliche Herzensangelegenheit. So wie bei Kathryn, Olga und den Keets. Zero Waste lässt sich aber auch im ganz großen Stil betreiben - zum Beispiel als ganze Stadt.
So wie San Francisco. Zero Waste City bis 2020 - das war das Ziel. Wie das funktioniert und ob es geklappt hat – dazu mehr in der nächsten Folge.
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