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400 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr – aber kein Plan, wohin damit. Während in Genf um ein UN-Abkommen gerungen wird, findet Christian auf einem Leipziger Friedhof ein Enzym, das Plastik zersetzen kann. Aber ist das die Lösung?

Die Shampoo-Flasche, die Schokoriegel-Verpackung, die alte Schuhsohle... Plastikmüll sehen wir zum Beispiel beim Spaziergang am Strand. Millionen Tonnen davon schwimmen im Meer – und jedes Jahr werden es mehr. Der Müll landet in der Umwelt, in Tieren und als winzige Plastikteilchen auch in uns Menschen. Kurz: Plastik ist ein riesiges Problem.

Mikro- und Nanoplastik im Körper

Christian Sonnendecker ist Biochemiker an der Uni Leipzig und forscht überwiegend auf dem Gebiet der plastikabbauenden Enzyme. Seine größte Sorge ist, dass wir Menschen den Plastikmüll nicht managen können. Im besten Fall werde der Müll als CO2 freigesetzt, im schlimmsten Fall lande er im Meer und gelange als Mikroplastik über die Nahrungskette zurück zum Menschen.

"Wir verstehen noch gar nicht wirklich, wie gefährlich Mikro- oder Nanoplastik in unserem Körper ist."
Christian Sonnendecker, Biochemiker an der Uni Leipzig

Das volle Ausmaß des Plastikproblems ist laut dem Biochemiker noch längst nicht erfasst. Mikro- und Nanoplastik können inzwischen überall im menschlichen Körper nachgewiesen werden – selbst ungeborene Kinder kämen bereits über die Nabelschnur damit in Kontakt. "Einige Studien sind äußerst besorgniserregend, aber das gesamte Ausmaß können wir uns noch gar nicht vorstellen", sagt er.

Plastikgipfel in Genf: UN verhandelt über verbindliches Abkommen

In Genf laufen derzeit zweiwöchige Verhandlungen über eine UN-Konvention zum weltweiten Umgang mit Plastik. Angestrebt wird ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen. Mehr als 100 Staaten, insbesondere stark betroffene Inselstaaten und afrikanische Länder, fordern ambitionierte Regelungen. Öl-exportierende Länder wie Saudi-Arabien, Russland oder Iran hingegen bremsen, berichtet Jule Reimer von unserer Umwelt- und Verbraucherredaktion.

"Die OECD sagt, die Plastikproduktion wird sich bis 2060 verdreifachen."
Jule Reimer, Deutschlandfunk Umwelt- und Verbraucherredaktion

Dabei geht es um konkrete Fragen zum Plastikproblem: Woher kommt der Rohstoff (meist klimaschädliches Erdöl) und sollten bestimmte Einwegprodukte verboten werden? Es geht auch um die erweiterte Herstellerverantwortung zum Beispiel für Gesundheitsfolgen bei Menschen oder Folgen in der Natur. Streit gibt es vor allem auch um eine Reduktionsquote für Plastik.

Sauberes Bild in Deutschland täuscht

Bei Verboten oder Änderungen würde es Übergangsfristen brauchen – auch wegen der Arbeitsplätze, etwa in der Chemieindustrie. Zudem könnten Müllsammler*innen in ärmeren Ländern ihre Existenz verlieren. Ein gerechter Übergang ist komplex, so Jule Reimer. Manche Maßnahmen, wie ein weltweites Verbot bestimmter Einwegprodukte, sind global sinnvoll, bestimmte Dinge müssen auf nationaler Ebene geregelt werden.

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In Deutschland ist das Müllproblem weniger sichtbar – dabei gehören wir mit rund 80 Kilo Plastikmüll pro Kopf und Jahr zu den globalen Spitzenreitern. Ein Teil davon wird verbrannt, viel Müll exportieren wir auch – in andere Länder ohne geeignete Infrastruktur. Unser sauberes Sammelsystem täuscht, sagt Jule Reimer: "Wir brauchen nicht über andere Länder zu sagen, die sind nicht in der Lage, ordentlich zu entsorgen."

Enzym könnte Durchbruch im Plastikabbau bringen

Jedes Jahr werden weltweit rund 400 Millionen Tonnen neuer Kunststoff hergestellt. Die OECD warnt: Die Plastikproduktion wird sich bis 2060 verdreifachen – trotz mehr Entsorgung und Recycling gibt es kein Hinterherkommen. Um so wichtiger ist es, in Zukunft einen besseren Umgang mit Plastik zu finden, das Recycling zu verbessern und eine echte Kreislaufwirtschaft aufzubauen. Christian will dafür von der Natur lernen.

Auf einem Komposthaufen auf dem Leipziger Südfriedhof hat er mit seinem Forschungsteam nach Enzymen gesucht, die Plastik zersetzen können. Die meisten seien nicht wirklich effizient. Aber: "Einmal hatten wir so einen dicken Fisch an der Angel, der deutlich besser gearbeitet hat als alle anderen Kandidaten", sagt er.

"Das Enzym erkennt die Kunststofffäden, setzt sich drauf und kann das wie so eine Schere schneiden."
Christian Sonnendecker, Biochemiker an der Uni Leipzig

Das Enzym mit dem Namen PHL 7 sei in der Lage, bestimmte Plastiksorten vollständig abzubauen. Es bindet sich zunächst an die Oberfläche des Plastiks und erkennt die langen Kunststoffketten, die auf molekularer Ebene wie Spaghetti-Fäden aussehen, erklärt der Biochemiker. Anschließend setzt es sich darauf und zerschneidet die Ketten – vergleichbar mit einer Schere. Dabei nutzt es ein Wassermolekül, das es in die Kette eingebaut und diese so spaltet.

Plastik muss seinen wahren Preis bekommen

PET-Plastik werde dabei in seine Grundbausteine zerlegt, woraus sich wieder eine neue Struktur bauen lasse. Das Ganze ist ein komplett geschlossenes Recycling-System, erklärt er. Das heutige Massen-Recycling besteht meist nur aus Einschmelzen und Umformen, wobei die Qualität durch Verunreinigungen sinkt – ein Verfahren, das sich nicht unbegrenzt wiederholen lässt, so der Biochemiker. Mit dem Enzym könne etwa zehn Prozent des weltweiten Plastikmülls recycelt werden. Für viele andere Kunststoffarten fehlen bisher geeignete Recyclingverfahren.

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Trotz technischer Fortschritte könne Technologie das Problem nicht allein lösen, betont Christian. Für ihn ist klar: Ein fairer Preis für Kunststoff muss Teil des Abkommens sein – in dem müssten alle Umwelt- und Folgekosten mit eingepreist werden. Derzeit zahlen Produzent*innen nicht mit, die Last tragen die Verbraucher*innen. Recycling müsse sich wirtschaftlich lohnen, doch bei den aktuellen Dumpingpreisen sei das nicht möglich.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Umwelt
Plastikmüll - Wohin mit dem ganzen Scheiß?
vom 04. August 2025
Moderation: 
Marcel Bohn
Gesprächspartner: 
Christian Sonnendecker, Biochemiker an der Uni Leipzig
Gesprächspartnerin: 
Jule Reimer, Deutschlandfunk Umwelt- und Verbraucherredaktion