Glaubt ihr eigentlich alles, was euch Freunde und Kollegen so erzählen? Oder ist euch klar, dass jeder seine Geschichten so erzählt, wie sie ihm gefallen - auch wenn es nicht ganz die Wahrheit trifft? Über unwahr, aber trotzdem schön schreibt Eduardo Halfon in "Der polnische Boxer". Das perfekte Buch für den Moment, wenn du dich fragst, was an den Anekdoten deiner Freunde dran ist. Übersetzt aus dem Spanischen von Peter Kultzen und Luis Ruby.
Eduardo und Lia leben in Guatemala-Stadt: Er unterrichtet Literatur, sie studiert Medizin und zeichnet nachts ihre Orgasmen. Für Eduardo wiederum sind die Linien und Notizen nicht entzifferbar, aber er versucht diese zu verstehen.
Der Schriftsteller Eduardo Halfon schreibt auch über sich selbst - ein wenig
Regelmäßig bekommt Eduardo Postkarten von dem Musiker Milan. Ein serbischer Pianist, der lieber als Zigeuner und mit Akkordeon durch die Welt ziehen würde. Milan schickt Postkarten aus der ganzen Welt. Sie erzählen von seinen Träumen und von seiner serbischen Mutter. Serben wiederum mögen keine Zigeuner. Irgendwann bleiben die Karten aus, ein Gruß aus Belgrad bleibt die letzte Post von Milan.
Für Eduardo geht das Leben zunächst ganz normal weiter: Er unterrichtet unmotivierte Erstsemester, fährt zu Fachtagungen, schreibt Reden. Doch er kann Milan nicht vergessen und beschließt nach Belgrad zu fliegen. Wieso er das macht? Das weiß er nicht genau. Macht er sich Sorgen um Milan? Pure Neugierde?
"Alles enthält mehr als bloß eine Wahrheit."
Um das Boxen geht es in dem Buch von Eduardo Halfon nicht. Auch ist es kein Roman: Die zehn Geschichten führen immer zu einer Person, nämlich zu dem Autor Eduardo Halfon selbst. Vieles, was er seinen Protagonisten Eduardo erzählen lässt, ist Wirklichkeit: seine Herkunft, seine Religion auch sein Beruf. Aber eben nicht alles, sehr wahrscheinlich.
Es ist die Fantasie, die alles zusammenhält. Und wie Milan es auf den Punkt bringt: "Manche Sachen haben keine Bedeutung und sind trotzdem schön." Und: "Alles enthält mehr als bloß eine Wahrheit."