Die Polizei spricht von einem "vermutlich terroristischen Anschlag": In Berlin ist gestern Abend gegen 20 Uhr ein Sattelschlepper in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz ganz in der Nähe vom Bahnhof Zoo gerast. Zwölf Menschen wurden getötet, 48 liegen in Krankenhäusern, zum Teil schwer verletzt.
"Der LKW bewegte sich auf einer Strecke von etwa 50-80 Metern schneisenartig zwischen den Ständen und ist mit hoher Geschwindigkeit dort durchgefahren."
Der Fahrer des Lkw ist nach dem vermutlichen Anschlag geflüchtet. Kurz danach wurde ein Mann festgenommen, berichtet Theo Geers aus dem Deutschlandradio-Hauptstadtstudio. Der Sprecher der Berliner Polizei hat der Zeitung "Die Welt" gesagt, dass das einem "mutigen Zeugen" zu verdanken sei, der dem Fahrer hinterhergerannt ist und dabei mit der Polizei telefoniert hat.
"Er mutmaßliche Täter soll Pakistaner sein und ist wohl am 31. Dezember über Passau nach Deutschland eingereist."
Diese Informationen würden für einen islamistischen Hintergrund sprechen. Sie stammen aus Sicherheitskreisen, also aus anonymen Quellen bei Polizei oder Staatsanwaltschaft, sagt ARD-Terrorismus-Experte Michael Götschenberg.
"Der mutmaßliche Täter ist Anfang 20 und soll der Polizei bereits wegen kleinerer Delikte bekannt sein."
Darüber hinaus sei noch wenig bekannt, wer sonst noch an der Planung oder Durchführung des "vermutlich terroristischen Anschlags" beteiligt gewesen sein könnte.
Ein Mann lag tot auf dem Beifahrersitz. Wie er gestorben ist, ist noch nicht bekannt. Er ist Pole und wahrscheinlich der eigentliche Fahrer des Lastwagens, der Cousin des Spediteurs, sagt Michael Götschenberg.
Ein Toter im Fahrerhaus
Der LKW einer polnischen Spedition hatte Stahl aus Italien geladen, das in Berlin auf eine Baustelle geliefert werden sollte. Dort sollte er dann neue Ladung aufnehmen. Der Besitzer der Spedition hat gestern Abend im polnischen Fernsehen gesagt, dass er seit dem frühen Nachmittag keinen Kontakt mehr mit dem Fahrer hatte. Er geht deshalb davon aus, dass er entführt wurde. Ein Angestellter der Spedition hat auch gesagt, dass er aus den GPS-Daten ablesen konnte, dass der Laster drei Mal gestartet wurde ohne loszufahren, so als ob jemand damit üben wollte. Um kurz nach halb acht sei er dann losgefahren.
Der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen übernommen
Ein zwingender Hinweis auf einen terroristischen Hintergrund muss das zwar nicht sein – der Generalbundesanwalt kann das auch machen, weil es einfach ein so schweres Ereignis war. Es spricht aber einiges dafür. Der Verdächtige wurde die ganze Nacht verhört – das dürfte die Ermittlungen weiter bringen. Bis dahin hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière aber um Geduld gebeten.
"Bitte haben Sie Vertrauen! Geben Sie den Ermittlungsbehörden ein paar Stunden Zeit. Die ersten wichtigsten Fragen müssen seriös beantwortet werden."
Bundeskanzlerin Merkel hat sich inzwischen zu Wort gemeldet. Sie sagte auf einer Pressekonferenz: "Das ist ein sehr schwerer Tag. Ich möchte, dass Sie wissen: Wir alle, ein ganzes Land, ist in tiefer Trauer mit Ihnen vereint." Sie geht von einem terroristischen Anschlag aus.
Innenminister De MaizIère hat gesagt, dass zwar viel für einen Anschlag spricht, dass er das Wort aber bewusst nicht in den Mund nehmen will.
"Von der Wortwahl geht eine psychologische Wirkung ins ganze Land aus. Deshalb wollen wir hart an den tatsächlichen Ermittlungsergebnissen operieren."
Sein Innenminister-Kollege aus Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger, war da heute Nacht weniger zurückhaltend. Er hat gesagt, dass er von einem Anschlag ausgeht und hat angekündigt, mehr Polizisten auf die Straßen und vor allem auch auf die Weihnachtsmärkte zu schicken.
"Kühlen Kopf bewahren"
Der CDU-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, Burkhard Dregger, hat dagegen davor gewarnt, voreilige Schlüsse zu ziehen.
"Natürlich wird so ein Ereignis von gewissen Kräften missbraucht, um Politik zu machen. Davor sorge ich mich. Wir sollten einen kühlen Kopf bewahren."
Ansonsten haben die Politiker - auch aus vielen anderen Ländern - den Angehörigen der Opfer ihr Mitgefühl ausgesprochen und ihre Hoffnung ausgedrückt, dass die Verletzten wieder gesund werden. In Frankreich haben fast alle Politiker der ersten Reihe via Twitter ihre Solidarität und ihr Mitgefühl bekundet. Auch der Bürgermeister von Nizza fühlt sich – das kann man sich vorstellen – in diesen Stunden eng mit den Berlinern verbunden.
Eine völlig neue Einschätzung der Sicherheitslage in Deutschland werde es nicht geben, glaubt ARD-Terrorismus-Experte Michael Götschenberg.
"Leider ist das passiert, womit schon lange gerechnet, was schon lange befürchtet wurde."
Man werde die Polizeipräsenz auf Weihnachtsmärkten und an Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen erhöhen. Zur Wahrheit gehöre, dass es einen hundertprozentigen Schutz nicht geben könne.
"Man hat darauf gewartet und jetzt scheint es soweit zu sein. Man hat Angst."