Feinstaub ist eines der größten Gesundheitsrisiken für uns Menschen. Deswegen gelten strenge Richtwerte und teilweise Fahrverbote in den Städten, wenn die Werte zu hoch sind. Forschende aus der Schweiz sagen aber jetzt: Es reicht nicht aus, nur zu messen wie viel Feinstaub in der Luft ist. Es könnte auch entscheidend sein, aus welchen Stoffen er besteht.

Die Europäische Umweltagentur geht davon aus, dass jedes Jahr 400.000 Menschen in Europa vorzeitig durch die Feinstaub-Belastung sterben. Bisher konzentrierten sich Politik und Wissenschaft dabei vor allem auf die Feinstaub-Menge.

"Feinstaub besteht aus sehr vielen unterschiedlichen chemischen Partikeln. Und die sind möglicherweise unterschiedlich schädlich für den menschlichen Körper."
Anne Tepper, Deutschlandfunk Nova

Feinstaub ist aber womöglich je nach Zusammensetzung unterschiedlich schädlich. Das könnte vor allem am sogenannten oxidativen Stress liegen. Dieser entsteht, wenn so viele schädliche Sauerstoffverbindungen in unseren Körper gelangen, dass dieser die Stoffe nicht mehr neutralisieren kann. Dadurch werden die Zellen geschädigt und Entzündungsreaktionen ausgelöst. Und das kann zum Beispiel auf Dauer zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.

Ballungszentren haben besonderes Gefährdungspotential

Inwiefern Feinstaub diesen oxidativen Stress hervorrufen kann, ist noch unklar. Verschiedene Expertinnen nehmen aber an, dass die winzigen Partikel, aus denen der Feinstaub besteht, in die Zellen der Atmungsorgane eindringen – und ihn so auslösen.

Das Forschungsteam aus der Schweiz wollte wissen, welche Stoffe besonders gefährlich sind. Für ihre Studie haben sie Luftproben aus der Schweiz und aus Liechtenstein gesammelt und die Partikel untersucht, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Anne Tepper. Das Ergebnis: Ballungszentren haben ein besonders hohes Gefährdungspotential.

"Bei Stoffen mit einem hohen Gefährdungspotential reagierten Atemwegszellen im Labor besonders stark mit Entzündungsreaktionen. Diese Stoffe entstehen beispielsweise beim Verbrennen von Biomasse oder bei Metallemissionen."
Anne Tepper, Deutschlandfunk Nova

Ein hohes Gefährdungspotential hatten etwa sogenannte sekundäre anorganische Aerosole. Die entstehen beim Verbrennen von Biomasse, etwa bei einer Holzheizung oder bei Metallemissionen. Das ist zum Beispiel Abrieb, der entsteht, wenn gebremst wird.

Feinstaub entsteht vor allem in der Landwirtschaft

Der größte Teil von Feinstaub-Partikeln besteht aber eher aus Nitraten, Sulfaten oder Ammoniumsalzen. Die entstehen vor allem in der Landwirtschaft und machen zwar den größten Teil des Feinstaubs aus – aber nicht unbedingt den gefährlichsten.

"Sollte sich die These der Schweizer Forschenden bestätigen, müssten wir unsere gesetzlichen Regelungen und Maßnahmen gegen Feinstaub verändern."
Anne Tepper, Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten

Die Forschenden aber sagen selbst: Das ist zunächst nur ein Anfangsverdacht. Es müssen noch weitere Daten erhoben und mit den tatsächlichen Gesundheitsdaten abgeglichen werden. Denn: die Studie bezieht sich bisher nur auf Zellen im Labor.

Sollte sich aber die These der Forschenden bestätigen, dass vor allem die Partikel mit höherem oxidativen Potenzial krank machen, dann müssten auch unsere gesetzlichen Regelungen geändert werden.

Shownotes
Luftverschmutzung
Forschende vermuten: Feinstaub ist nicht immer gleich gefährlich
vom 19. November 2020
Moderatorin: 
Steffi Orbach
Gesprächspartnerin: 
Anne Tepper, Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten