Eine Hyäne ist ein Mann, der von den Eltern beauftragt wird, mit deren Töchtern zu schlafen, nachdem sie ihre erste Periode hatten. Sie bezahlen für die Entjungferung ihrer Töchter. Der Geschlechtsverkehr findet ungeschützt statt.

"Ich bin seit 1985 eine Hyäne. Bisher habe ich mit 104 Frauen geschlafen."
Erik lebt in Malawi

Erik arbeitet als Hyäne - und hat Aids. Über seinen Job hat er in einem BBC-Interview gesprochen. Kurz darauf wurde er verhaftet und verurteilt. Der Vorwurf: schändliche Kulturpraxis. Die Gesundheitsethnologin Angelika Wolf erklärt, dass der ursprüngliche Ritus vorgesehen hatte, dass der jugendliche zukünftige Ehemann mit der jugendlichen zukünftigen Braut Geschlechtsverkehr hat.

"Das Problem ist eigentlich die Kriminalisierung von Ritualen, ohne dass die Möglichkeit gegeben wird, bestimmten Ersatz zu schaffen."
Angelika Wolf, Gesundheitsethnologin

Angelika Wolf versucht zu erklären, welches Konzept hinter diesem Ritus steckt: Die Menschen in Malawi begreifen das Leben in Zyklen, der Tod ist nur ein weiterer Zyklus, das Leben endet nicht mit dem Tod, beschreibt die Ethnologin die Vorstellung der Menschen.

Lebens- und Sexualzyklen

"Das Dasein vor der Geburt und nach dem Tod gilt als kühler Zustand. Nach der Geburt bis zum Erwachsenenalter wird der Mensch immer wärmer. Nach dem heißen Höhepunkt im Erwachsenenleben wird der Mensch dann wieder kälter bis er mit dem Tod in die kühle Welt der Ahnen eingeht." Die Sexualität spiegelt sich in den Zyklen durch die Intensität, die ebenfalls ansteigt und wieder weniger wird.

Riten zur Vorbeugung von Krankheiten

An diese Vorstellung müssen die Menschen herangeführt werden. Wenn die heißen und kalten Phasen zu schnell abwechseln, werden nach ihrer Vorstellung die Menschen krank. Bestimmte Fehler im Sexualverhalten rufen dann bestimmte Krankheiten hervor. Eltern, die ihre Mädchen entjungfern lassen, haben in der Regel Angst vor diesen Krankheiten, die nicht nur die Mädchen, sondern die ganze Familie oder gar das ganze Dorf betreffen können. Sie wollen die Gemeinschaft davor schützen, in dem sie einen ersten geregelten Geschlechtsverkehr organisieren.

Bezahlte Hyänen

Pubertätsrituale gibt es überall auf der Welt. In der hier übliche Kommunion oder Firmung sieht Angelika Wolf ein solches Ritual, bei dem Jugendlichen bestimmte Werte vermittelt werden. Dieses Ritual zur Heranführung an die Sexualität sei nur ein Teil dieser Wertevermittlung in Malawi, sagt die Ethnologin.

Die Abwandlung des Rituals mit bezahlten Männern sei in weiten Teilen Malawis kein akzeptiertes Vorgehen. Das sei eher ein hilfloser Ersatz eines verbotenen Rituals. So wie das Ritual heute praktiziert wird, war es früher in Malawi nicht üblich, sagt die Gesundheitsethnologin.

Sex ist heiß

Neben diesem Ritual gibt es noch ein weiteres für Witwen: Wenn der Mann stirbt, soll die Frau ebenfalls mit einer Hyäne schlafen. Der Ehemann ist in die kühle Welt zurück gegangen, die Frau bleibt zurück und trauert rund 40 Tage. Das gesamte Dorf hat während dieser Zeit keinen Sexualverkehr. Ansonsten wäre der Übergang des Toten in den kühlen Zustand gefährdet, "weil Sex heiß ist", erklärt die Gesundheitsethnologin. Danach wird in einer ritualisierten Form das Verbot aufgelöst und die Frau sucht sich einen Mann, der sie wieder ins Sexualleben und die Gemeinschaft zurückführt.

Die Kraft der Hyäne

In diesen Riten nimmt der Mann die Gestalt der Hyäne an. Er wird dann zu einer Figur, die keine Angst davor haben muss, Sex mit der Frau zu haben. Die Hyäne gilt in Malawi als starkes und mutiges Tier. Mit dieser Kraft, die dem Tier zugesprochen wird, wird auch sexuelles Potential verbunden.

Die Hyäne dieses abgewandelten Rituals sind dagegen eher Männer, die das Ganze als Job und Einkommensquelle betrachten und die Ängste der Eltern ausnutzen. Die Mädchen und Frauen werden so gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt. Ungewollte Schwangerschaften werden in Kauf genommen.

Mehr über die Hyänen:

Shownotes
Gefährliche Sexualriten
Warum Männer zu Hyänen werden
vom 07. Januar 2017
Moderator: 
Manuel Unger
Gesprächspartnerin: 
Angelika Wolf, Gesundheitsethnologin