Vom Umsatz her geht es den großen Streamingportalen prima – Spotify allen voran. Was bleibt den Artists? Was für die Label? Der Musiker Haller, der Ökonom Michel Clement, Promoterin Vera Jakubeit und Matthias Schröder, Professor für Musikmanagement, haben Antworten.
Bedroom-Produktion, Filesharing, Social Media: Die digitalen Möglichkeiten haben den Musikmarkt ganz schön durchgewirbelt. Heute können Musiker*innen eigentlich alles selbst machen: Produktion, Vertrieb, Verlag, Marketing und Rechtemanagement. Wirklich? Und warum gibt es dann immer noch Musiklabels? Ganz große, die Majors, und auch die kleinen?
Ein Grund ist sicherlich, dass Artists nicht alles DIY-mäßig selbst stemmen wollen, das bestätigt der Musiker und Songwriter Haller. Er selbst versucht es trotzdem und sagt: "Man macht eigentlich fünf Jobs gleichzeitig." Grundsätzlich genießt er seine Unabhängigkeit – beim Veröffentlichen zum Beispiel. Er könne alles rausbringen, was er möchte. Ganz ohne Gatekeeper.
Studium als Vorbereitung
Darauf hat ihn sein Studium an der Popakademie vorbereitet – auf die Business-Seite des Musikerseins – inklusive der Details bei verschiedenen Vertragstypen und Vergütungsregeln.
"Alles, was einem Zeit verschafft und Freiheit, irgendwie künstlerisch tätig zu sein, hilft"
Haller findet grundsätzlich, dass es die großen Majorlabel nicht mehr braucht. Er sagt: "Wenn ich nur Ja oder Nein sagen kann, sage ich ganz klar: Nein, wir brauchen die großen Labels nicht mehr. Begründet eure eigenen Labels. Macht euer Ding. Tut euch zusammen. Die hängen auch nur auf Tiktok und gucken, was jetzt viral geht."
Ein kleinteiliges Geschäft
Aber für einzelne ist es ein mühsames Geschäft in den Netzwerken. Haller hat beobachtet, dass seine Botschaften auf Social Media nicht so gut durchkommen: "Wie oft ich eine Nachricht gekriegt habe: Wann gehst du denn wieder auf Tour? Und ich poste jeden Tag zu dieser Tour."
Also hat er Verständnis für Kolleginnen und Kollegen, die die Markenkommunikation lieber anderen – bei einem Label zum Beispiel – überlassen. Trotzdem ist Haller überzeugt, dass persönliche und individuelle Posts auf Social Media grundsätzlich besser funktionieren, als unpersönliche.
Insgesamt ist er mit seinem persönlichen Zeitmanagement ganz zufrieden und mit seiner relativen kreativen und ökonomischen Unabhängigkeit.
"Ich habe irgendwann gelernt, die Zeit, die ich habe, zu nutzen."
Vera Jakubeit findet, die eigentliche gegenwärtige Herausforderung sei es, als Artist sichtbar zu werden, beziehungsweise überhaupt gehört zu werden, angesichts der schieren Menge an veröffentlichter Musik. Das ist genau ihre Jobbeschreibung: Sie arbeitet heute als Promoterin und hat eine eigene Agentur. Früher war sie für ein Majorlabel tätig. "Rein technisch brauchen wir die nicht", sagt auch sie über diese Mega-Labels.
Sie bestätigt Hallers These, dass Labels erfolgversprechende Acts von den Social-Plattformen abfischen: "Die Label signen jetzt irgendwie von TikTok weg, was da schon eine bestimmte Aufmerksamkeit oder eine Reichweite generiert hat." Dass Labels Artists langfristig entwickeln über Jahre hinweg, das sieht sie als Ausnahmeerscheinung.
Kleine Bands profitieren kaum von Musikportalen
"Wir haben 2023 digital 3,7 Millionen Pop-Alben verfügbar. Das ist schon Wahnsinn", findet Matthias Schröder. Er lehrt Musikmanagement an der Hochschule für Musik Detmold. Auch wenn es einerseits die große Musikvielfalt gibt: Wenn es ums Geldverdienen geht, werde denen gegeben, die schon viel haben, beobachtet er.
Seiner Meinung nach sind weniger die Mega-Labels und ihre Machtfülle problematisch, sondern eher, dass die Vertriebskanäle, die großen Portale, unfassbar hohe Umsätze machen und diese nicht gerecht verteilen. "Spotify hat im dritten Quartal des Geschäftsjahres 2024 knapp vier Milliarden Euro Umsatz gemacht", sagt Matthias Schröder. Er geht davon aus, dass 40 bis 50 Millionen Euro jährlich bei den Portalen von den kleinen zu den großen umverteilt werden.
Hinweis: Die Gespräche mit Matthias Schröder, Vera Jakubeit, Haller und Michel Clement waren in der Woche vom 27. bis zum 31. Januar auf Deutschlandfunk Nova zu hören.