Zeig mir deinen Speichel, und ich sage dir, was du hast. Ganz so einfach ist es noch nicht. Aber die Medizin kann anhand von Speichel immer bessere Diagnosen stellen.
Dass Spucke so einiges kann, wissen wir: Auch in der Medizin ist sie ein wichtiger Informationsträger.
"Wir erkennen mittlerweile an der Spucke Dinge, an die vor ein paar Jahren noch gar nicht zu denken war. Anhand des Speichels lassen sich eine Vielzahl an Krankheiten erkennen und beurteilen."
Das sind beispielsweise Krankheiten wie HIV, Diabetes oder Mundkrebs. Aber auch Drogenmissbrauch lässt sich so nachweisen. Bei der Speichelanalyse geben die darin enthaltenen Eiweiße oder Antikörper Auskunft - oder es lassen sich Partikel als direkte Krankheitsindikatoren finden. "Die sind allerdings so mini, dass dafür sehr sensible Geräte benötigt werden", erklärt Notfallmediziner Johannes Wimmer. Zahnärzte in den USA setzen schon auf sogenannte Chairside-Tests, quasi Mini-Labore neben dem Behandlungsstuhl. Hier wird der Patientenspeichel direkt auf Keime und Anzeichen für Krankheiten getestet.
Hilfe bei Herzinfarkt
Bei akuten Fällen kann der Speichel ein schneller Auskunftsgeber sein, sagt Johannes Wimmer. Zum Beispiel beim stummen Herzinfarkt, bei dem die Patienten augenscheinlich kaum Symptome zeigen. "Hier wissen wir ganz oft nicht, ob ein Herzinfarkt vorliegt", so der Mediziner. Muss ein EKG durchgeführt werden, geht wertvolle Zeit verloren. Mithilfe der Speichelanalyse lässt sich aber nachweisen, ob vermehrt Eiweiße vorkommen, die bei einem Infarkt produziert werden.
"Das ist natürlich ein Riesenvorteil für uns Ärzte. Wir müssen nicht mit der Nadel kommen, sondern es reicht, in ein Röhrchen zu spucken. Das muss auch nicht literweise sein, da reicht schon wenig."
Aufwand und Schnelligkeit sind also Faktoren, die eine Speichelanalyse für Mediziner interessant machen. Hundertprozentig ersetzen kann die Speichelprobe eine Blutuntersuchung aber nicht. "Bei Krebs in der Mundhöhle liegt die Genauigkeit bei 90 Prozent", sagt Johannes Wimmer. Das sei schon gut, andererseits sind die fehlenden zehn Prozent, die durch den Speicheltest nicht erkannt werden, eine so hohe Zahl, dass man sich als Mediziner nicht allein darauf verlassen kann.
Oft sind weitere Tests nötig
Notfallmediziner Wimmer verdeutlicht das an einem Beispiel: Angenommen, im Speichel findet sich ein kleines Teilchen, das auf eine HIV-Infektion schließen lässt: Wie hoch ist dann tatsächlich die Korrelation? Bedeutet das, der Patient ist tatsächlich infiziert? Wie valide ist dieses Ergebnis?
"Das ist ein bisschen so, als müsste man erst einen Tacho einstellen, um zu sagen: Was sind jetzt 30 km/h und was 100 km/h?"
Für alle, die nicht zu großer Hypochondrie neigen, empfiehlt es sich übrigens, den eigenen Speichel zu beobachten. Gibt es einen veränderten Geschmack, eine andere Farbe und Konsistenz? Tritt vermehrt Mundgeruch auf? Das könnten Krankheitssymptome sein - müssen es aber nicht. "Nur unsere Geschmacksnerven sind nicht so genau wie ein Labortest. Ich kann jetzt nicht rausschmecken, dass ich eine bestimmte Krebsart habe", sagt Johannes Wimmer. Vielleicht steckt einfach eine sich anschleichende Erkältung dahinter.
Spucken allein reicht nicht
So praktisch die Speichelanalyse klingt, für den Mediziner bleibt sie immer nur eine Ergänzung bei der Diagnose. "Wir haben in den Medizin immer den Wunsch, alles beweisen zu wollen. Das heißt Speichel wird untersucht, Blut wird untersucht, Bilder werden gemacht," so Johannes Wimmer. Die einmalige zuverlässige Wunderdiagnose nur mit einem Speicheltest, sieht er sobald nicht.