Eine internationale Gruppe von Juristen erhebt schwere Vorwürfe gegen die EU und verklagt die Staatengemeinschaft vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Menschenrechtsverletzungen. Sie sei mitverantwortlich für Tod, Folter und Versklavung tausender Flüchtlinge.

Bei der Klage, die vorab an mehrere internationale Medienhäuser verteilt wurde, geht es um die Rolle der EU im Zusammenhang mit Flüchtlingen, die über das Mittelmeer nach Europa wollen. Die Gruppe um die Rechtsanwälte Omer Shatz und Juan Branco wirft der EU Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. In der Anzeige steht, die EU sei durch ihre Politik für den Tod tausender Menschen durch Ertrinken verantwortlich, außerdem für die Folter, Versklavung und Ermordung von Flüchtlingen.

"Wenn man sich vor Augen hält, dass diese Strafanzeige erst an große Zeitungen in der ganzen Welt geschickt wurde und danach erst an die Anklagebehörde, die mit der sachlichen Prüfung befasst ist, dann spricht das auch für sich", kritisiert Klaus Rackwitz, Leiter der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien, die sich der Förderung des Völkerstrafrechts und der Menschenrechte widmet.

Staatengemeinschaften können eigentlich nicht in Den Haag angeklagt werden

Artikel 125 im Römischen Statut des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag sieht vor, dass Staaten Subjekte des Strafgerichtshofs sein können, nicht aber Staatengemeinschaften. Insofern sei es eher ein politischer Akt als ein strafrechtlicher, wenn eine Gruppe Rechtsanwälte jetzt die EU wegen Menschenrechtsverletzungen in Den Haag anklagt, so Klaus Rackwitz.

Im Fall, dass einzelne Staaten in Den Haag angeklagt werden, müssen sich dann diejenigen vor Gericht verantworten, die zu dem entsprechenden Zeitpunkt Verantwortung getragen und Entscheidungen getroffen haben, erklärt er weiter. Je nachdem, wofür sich die Staatsoberhäupter beziehungsweise die Entscheidungsträger verantworten müssen, erwartet sie ein Strafmaß, dass bei Geldstrafen beginnt und bis zu Freiheitsstrafen von 30 Jahren reicht.

"Mir ist kein Fall bekannt, in dem das Handeln einer staatlichen oder zwischenstaatlichen Einrichtung zu einem Strafverfahren oder gar zu einer Verurteilung geführt hätte."
Klaus Rackwitz, Leiter der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien

Es gibt durchaus Fälle, in denen ein noch amtierendes Staatsoberhaupt in Den Haag angeklagt wurde. Ein Beispiel ist der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta. 2010 wurde er vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt. Ihm wurde Anstiftung zum Mord, Vertreibung und Raub während der Wahlen im Jahr 2007 vorgeworfen. Die Klage wurde letztlich jedoch aus Mangel an Beweisen fallen gelassen.

"Das Problem ist ja da: Es sterben Menschen im Mittelmeer, die Situation in Libyen ist besorgniserregend. Das sind ja Tatsachen, die man nicht leugnen kann", sagt Rackwitz. Ob man denen mit den Mitteln des Strafrechts begegnen kann, sei eine ganz andere Sache. Aber – wie jede Anzeige, die am Internationalen Strafgerichtshof eingeht – müsse nun auch das von den Anwälten eingereichte Dokument zunächst einmal geprüft werden.

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Shownotes
Menschenrechte
Flüchtlinge in Libyen: Anwälte verklagen die EU
vom 03. Juni 2019
Gesprächspartner: 
Klaus Rackwitz, Leiter der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien
Moderator: 
Ralph Günther