Bei der Einhaltung der Menschenrechte gibt es auch in Deutschland noch einiges zu tun. In seinem neuen Jahresbericht hat sich das Deutsche Institut für Menschenrechte schwerpunktmäßig mit den Risiken rassistischer Diskriminierung durch polizeiliche Datenverarbeitung beschäftigt.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) ist eine unabhängige Institution, die vom Deutschen Bundestag finanziert wird. Seine Aufgaben sind per Gesetz: die Menschenrechtslage in Deutschland im Blick behalten, Forschung betreiben, die Politik beraten.

Seit 2016 legt das DIMR dem Bundestag einen jährlichen Bericht vor. Für ihren achten, gerade veröffentlichten Jahresbericht 2023, der den Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis zum 30. Juni 2023 umfasst, haben die Autorinnen und Autoren verschiedene Themenfelder und Probleme in den Blick genommen.

Rassistische Diskriminierung bei Polizeidaten

Im Zuge von Ermittlungsverfahren erheben die Bundes- und die Landespolizeien eine enorme Menge Daten von beteiligten Personen, also zum Beispiel von Zeuginnen und Zeugen oder von Geschädigten – dabei werden auch sensible Daten erfasst, etwa die Hautfarbe oder die vermeintliche ethnische Herkunft. Es geht zum Beispiel um Kategorien wie "Weißrusse", "afrikanische Erscheinung" oder "Westeuropäer".

Die Expert*innen vom Institut für Menschenrechte mahnen hier zu mehr Vorsicht – und strengeren Regeln. Denn anhand dieser Daten würden Vorurteile reproduziert: So komme es zum Beispiel vor, dass jemand mit schwarzer Hautfarbe als afrikanisch eingestuft wird, obwohl er oder sie durch und durch Westeuropäer ist, also hier geboren und aufgewachsen.

"Da werden anhand dieser Daten Vorurteile reproduziert."
Jakob Vogel, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion

Dass Personen in der polizeilichen Ermittlungsarbeit möglicherweise mit diskriminierenden Vorurteilen konfrontiert werden, passiere auch bei Namen, so das DIMR – etwa, dass Personen wegen ihres Nachnamens mit kriminellen Clans assoziiert werden.

Gemäß der EU-Richtlinie zum Datenschutz bei Polizei und Strafjustiz dürften solche sensiblen Daten eigentlich "nur unter strengen Anforderungen verarbeitet werden", schreibt das Institut. Die entsprechende Richtlinie werde in Deutschland allerdings nicht ausreichend umgesetzt. "Bund und Länder sind gemeinsam in der Pflicht, die gesetzlichen Vorschriften anzupassen und verbindliche Regeln für Schutzmaßnahmen festzuschreiben, um einen adäquaten Schutz vor rassistischer Diskriminierung zu gewährleisten", heißt es.

Neben diesem Schwerpunkt hat sich der Bericht noch fünf weiteren Themen gewidmet und er fordert die Politik auch dort auf, nachzubessern:

  • Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt sicherstellen
  • Versammlungsfreiheit in Gefahr? Raum für Klimaaktivismus erhalten
  • Politische Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen stärken
  • Gesetzlichen Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen verbessern
  • Selbstbestimmtes Leben braucht barrierefreien Wohnraum

Fokus Versammlungsfreiheit

Sehr kritisch blicken die Autor*innen auf die Lage der Versammlungsfreiheit. Einerseits hinsichtlich des Kriegs in Nahost: Sie warnen davor, nicht per se jede propalästinensische Demo zu verbieten, nur weil ein solcher Protest präventiv schon als antisemitisch oder israelfeindlich gilt.

Andererseits gibt es Kritik an der Präventivhaft für Klimaaktivsten, die es zum Beispiel in Bayern gibt. Menschen einzusperren, damit sie ihren Protest gar nicht erst auf die Straße bringen können, halten die Menschenrechtler*innen für hoch problematisch.

"Bei der Anordnung von Präventivhaft müssen die Gerichte berücksichtigen, dass friedliche Sitzblockaden von der Versammlungsfreiheit geschützt werden. Eine Versammlung ist friedlich, wenn sie frei von schwerwiegender Gewalt ist. Störungen des Verkehrs sind keine solche Gewalt."
Beate Rudolf, Leiterin des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR)

Schutz vor Gewalt gegen Frauen

Geschlechtsspezifische Gewalt gibt es in Deutschland noch viel zu häufig, bemängelt der Bericht. Jede dritte Frau erfährt sie mindestens einmal im Leben. Die Forderung: mehr Schutzräume und ein besserer Zugang zu Hilfsangeboten – vor allem auch für Frauen mit Behinderung, Migrantinnen, Asylsuchende oder wohnungslose Frauen.

Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen

Bei der Frage, wie man die Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen verbessern kann, stellt sich das Institut hinter den Plan der Ampelregierung, das Wahlalter bei Bundestagswahlen auf 16 Jahre herunterzusetzen. Auch für die Länderebene wird das empfohlen. Auf Europaebene ist das bereits jetzt schon so geregelt. Und der Bericht sagt: Das ist gut für die Demokratie, denn es mobilisiert mehr junge Wähler, auch über die Erstwahl hinaus.

Shownotes
Menschenrechte in Deutschland
Im Fokus: Kritik an diskriminierenden Polizeidaten
vom 05. Dezember 2023
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Jakob Vogel, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion