Was passiert, wenn ihr jemandem beim Kratzen beobachtet? Es fängt auch bei euch so doll zu jucken an, dass prompt eure Fingernägel zum Einsatz kommen. Zum Glück sind wir mit diesem Schicksal nicht allein. Wir teilen es mit Affen und Mäusen.

Dass der Mensch in erster Linie ein soziales Wesen ist, merkt man auch daran, dass wir uns von den Verhaltensweisen unserer Mitmenschen anstecken lassen.

Ohne darüber nachzudenken, übernehmen wir das Gähnen und Lachen des Gegenübers, aber genauso leicht müssen wir uns auch unwillkürlich kratzen, wenn wir jemanden dabei beobachten.

Das Kratzen der anderen machen wir uns zu eigen

Nachgewiesen hat das unter anderem Henning Holle von der University of Hull in Großbritannien. Dabei reicht es oftmals schon aus, wenn wir nur jemandem dabei zusehen, wie er sich kratzt. Dadurch werden bestimmte Nervenbahnen in unserem Gehirn aktiviert, die uns einen Juckreiz spüren lassen, für den es keine organische Ursache gibt. Und schon kratzen wir wild drauflos.

Belegt haben das die Forscher durch einen Versuch, in dem die Probanden Videos zu sehen bekamen, in denen sich Menschen kratzten, oder auf ein Körperteil geklopft haben. Der Kratz-Film löste in der Regel ein stärkeres Jucken aus, auf das mehr als 60 Prozent der Versuchsteilnehmer mit einem Kratzen reagieren mussten.

"Wenn wir uns die Hirnaktivität als Reaktion auf diesen Reiz angeschaut haben, sind die gleichen Hirnareale aktiviert, wie bei einem physikalischen Juckreiz, zum Beispiel einem Mückenstich."
Henning Holle, University of Hull in Großbritannien

Am meisten wurden die Menschen vom Juckreiz geplagt, die von Natur aus öfter über Ängste und körperliche Schmerzen klagen und einen größeren Hang zu Nervosität und Traurigkeit verspüren. Dieses Phänomen bezeichnet die Wissenschaft als Neurotizismus. Überraschenderweise fielen besonders empathische Menschen nicht durch eine erhöhten Kratz-Aktivität auf.

Auch andere Säugetiere werden vom Kratzen angesteckt

Wir sind nicht die einzigen Säugetiere, denen es so ergeht: Auch Rhesusaffen und sogar Mäuse lassen sich vom Kratzen anstecken. Der Forscher Yao-Qing Yu und seine Kollegen von der Washington University School of Medicine setzen in einem Experiment immer zwei Mäuse in durchsichtigen Käfigen einander gegenüber. Eines der beiden Versuchstiere litt unter chronischem Juckreiz.

Deren ständiges Kratzen, veranlasste auch den Artgenossen, den Juckreiz hemmungslos zu befriedigen. Das funktionierte sogar dann, wenn die Maus mit dem exzessiven Juckreiz nur auf einem Computermonitor zu sehen war.

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Shownotes
Menschliches Verhalten
Kratz mich doch gleich mit
vom 10. März 2017
Moderator: 
Ralph Günther
Autor: 
Johannes Döbbelt, DRadio Wissen