Der Einzelhandel ist unzufrieden mit dem Weihnachtsgeschäft. Die Menschen geben weniger aus – und das wenige mehr online. Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven über die diesjährigen Zahlen und die Trends.
Auf den letzten Drücker Geschenke kaufen – stressige Zeit für uns, traditionell goldene Zeiten für den Einzelhandel. Eigentlich. Denn: Von Jahr zu Jahr wird das Weihnachtsgeschäft mauer, klagen die Händler*innen. Und dieses Jahr? Extramau! Zwei Drittel der Unternehmen im deutschen Einzelhandel sind unzufrieden.
Ein Grund – ihr ahnt es: Onlineshopping. Zwar wirken die Einkaufsmeilen in der Vorweihnachtszeit nach wie vor wie Nahkampfzonen, die Einzelhändler*innen aber sagen, es ist weniger los. Die letzte Hoffnung liegt nun auf der Geschenke-Zielgerade an den Tagen ganz kurz vor Weihnachten.
Deutscher Einzelhandel klagt über das Weihnachtsgeschäft
Spürbar ist außerdem, sagt Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven, dass die Menschen nicht mehr ausgeben wollen als im letzten Jahr. Es gibt unterschiedliche Umfragen dazu, erklärt er, der Schnitt der Prognosen liegt derzeit so bei 260 bis 300 Euro für Geschenke.
"Die Menschen sind mit angezogener Handbremse unterwegs."
Eingerechnet, dass wir ja doch gerne mal mehr ausgeben, als wir vorhaben, kommen einzelne Schätzungen auch auf bis zu 500 Euro. Aber die Menschen sind in Sachen Geschenke-Ausgaben aktuell doch etwas gebremst, so Nicolas.
Laut dem aktuellen GFK-Konsumklima-Index ist die Shoppinglaune der Menschen so düster wie seit Jahren nicht, sagt er. Der Grund: Die Menschen sparen für schlechte Zeiten. Die wirtschaftliche Lage ist angespannt, erklärt der Wirtschaftsjournalist, sehr viele Menschen haben mittlerweile Angst um ihren Job.
"Was wir auch alle spüren: Das Leben wird immer teurer und teurer und teurer."
Hinzu kommen die steigenden Lebenshaltungskosten – leicht rückläufige Inflation hin oder her. Und um den Jahreswechsel flattern viele Rechnungen ins Haus. Kurz: "Es ist schon sehr vieles, was die Leute belastet. Und viele haben einfach Sorge, wenn sie in die Zukunft blicken."
Zusätzlich zur eher düsteren Shoppinglaune stellt die Konkurrenz durch chinesische Billigshops ein Problem für die hiesigen Händler*innen dar. Online wird immer mächtiger, sagt Nicolas Lieven. Über das Jahr gesehen laufen 16 bis 20 Prozent des Umsatzes online, erklärt er, zu Weihnachten sind es fast 50 Prozent.
"Fast jeder zweite Euro wird online ausgegeben."
Jede*r Fünfte kauft mittlerweile einer Umfrage zufolge irgendwelche Weihnachtsgeschenke bei Temu, Shein und Co., sagt Nicolas, "trotz aller Skandale, trotz aller Warnungen, was die Qualität angeht".
Das liegt auch daran, sagt er, dass diese Artikel sich auf anderen Plattformen finden wie Amazon, Otto und anderen, und sich dann die Frage stellt, warum man sie nicht gleich beim Hersteller bezieht, anstatt bei einer Zweitplattform.
Einkaufen vor Ort muss Mehrwert haben und ein Erlebnis sein
Angesichts dieser Entwicklungen ist fraglich, ob es ein schlauer Move des stationären Handels ist, bei solchen Online-Trends wie Black Friday oder Cyber Monday mitzumachen. Allerdings, gibt Nicolas Lieven zu bedenken, können die Händler*innen sich da auch schwer rausziehen. Zum Teil hätten sie auch Online-Auftritte und könnten schlecht online günstigere Preise anbieten als stationär.
Die Läden vor Ort müssten einen Mehrwert für die Kundschaft bieten – etwas, das sie einzigartig macht. Beratung etwa, die Möglichkeit, auszuprobieren, oder Service wie Reparaturen.
Einfach ist das nicht, räumt er ein. Viele Einzelhändler*innen geben auf. Die Insolvenzzahlen sind so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr, sagt der Wirtschaftsjournalist. Und die Wachstumsraten beim Onlinehandel sind noch immer deutlich höher als beim stationären Einzelhandel.
"Das ist ein Trend, der so in dieser Form wahrscheinlich nicht aufzuhalten sein wird."
Der Trend ging zu Online, der Trend geht weiter zu Online – und das wird sich auch nicht ändern, glaubt Nicolas Lieven. Er selbst hat kein schlechtes Gewissen, wenn er auch mal etwas online kauft, gibt er zu. Vielleicht sollten wir aber auch den Spaß am Shoppen vor Ort sehen, meint er. "Aber die Geschäfte müssen halt auch etwas tun."
Noch sind es ja ein paar Tage bis Weihnachten und für Warensendungen wird es langsam eng – vielleicht kommt ja kurz vor knapp doch noch etwas Schwung in die Läden in Deutschland …
