Marokko, Tunesien und Algerien sollen in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufgenommen werden – wenn es nach der Union und jetzt auch der FDP geht. Die Grünen und große Teile der SPD sind dagegen. Für Asylverfahren hätte das direkte Folgen.

Momentan stehen auf der Liste sämtliche EU-Länder, Ghana, Senegal, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Nordmazedonien, Albanien, Kosovo und Montenegro. Vor kurzem hatte sich die Ampelkoalition darauf geeinigt, auch Georgien und Moldau in die Liste sicherer Herkunftsländer aufzunehmen.

CDU-Chef Merz würde darüber hinaus auch gerne Indien sowie die Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien auf der Liste der als sichere Herkunftsstaaten anerkannten Länder sehen. Asylsuchende aus diesen Ländern hätten bereits jetzt eine geringe Anerkennungsquote in Deutschland, argumentiert Merz.

Auch die Regierungspartei FDP will Marokko, Tunesien und Algerien jetzt zu sicheren Herkunftsländern machen. Die Grünen, etwa Außenministerin Annalena Baerbock, sind allerdings dagegen – große Teile der SPD ebenfalls. Allerdings signalisierten einige Politker der Kanzlerpartei Gesprächsbereitschaft.

"Eine fast schon unendliche Geschichte"

Entscheiden wird am Ende der Deutsche Bundestag, stellt Gudula Geuther aus dem Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio klar. Doch die Debatte zieht sich schon sehr lange hin, ein Gesetzesentwurf ist sogar schon mal durch den Bundestag gekommen und erst im Bundesrat gescheitert.

"Das ist eine fast schon unendliche Geschichte. Das ist ein Gesetzentwurf, der es zu Zeiten der Großen Koalition sogar schon bis in den Bundesrat geschafft hat, wo er dann gescheitert ist, an den Grünen damals. Im Moment sind auch große Teile der SPD dagegen."
Gudula Geuther, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Wenn ein Land als sicheres Herkunftsland eingestuft wird, hat das für Asylsuchende aus diesen Ländern spürbare Folgen, so Gudula Geuther. Das wäre auch bei den Maghreb-Staaten der Fall:

  • Die Asylsuchenden müssen in Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen.
  • Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kann (in der Theorie) sehr schnell – innerhalb einer Woche – über eine Rückführung entscheiden.
  • Die Rechtsmittelfristen sind verkürzt: Das Verfahren läuft schneller ab, und die Menschen können die Verfahren dann oft nur aus ihren Herkunftsstaaten weiterführen – weil es keine aufschiebende Wirkung hat, wenn sie Rechtsmittel einlegen.
  • Eine Art Beweislastumkehr: Wenn zum Beispiel eine Person aus Moldau sagt "Ich werde verfolgt, weil ich Roma bin", reicht dieser Hinweis auf die Gruppenverfolgung nicht mehr aus, da man unterstellt, das Land sei sicher. Dementsprechend muss die Person im Einzelfall beweisen, dass sie verfolgt wird.
  • Im Fall der Maghreb-Staaten besteht die Sorge, dass etwa Homosexuelle in jedem Einzelfall erschwert nachweisen müssten, dass sie verfolgt werden.

Georgien und Moldau sind EU-Beitrittskandidaten

Da Georgien und Moldau Beitrittskandidaten für die EU sind, ist die Aufnahme dieser Länder in die Liste sicherer Herkunftsstaaten weniger folgenschwer, sagt Gudula Geuther. Beispielsweise können Menschen aus diesen Ländern schon jetzt visumsfrei in die EU einreisen und haben daher auch für mögliche rechtliche Verfahren viel mehr Zeit.

"Offensichtlich sind die letzten Entwicklungen in Tunesien – darunter die Verhaftung prominenter Oppositioneller und die Aushöhlung der geltenden Verfassung – im bayerischen Wahlkampf an ihm vorbeigegangen."
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kritisiert CDU-Chef Friedrich Merz

Kaum Entlastung für die Kommunen

Insgesamt sei die Frage, ob die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden sollen, vor allem eine politische, meint unsere Korrespondentin. Die faktische Entlastung der Kommunen in Deutschland sei "nicht so wahnsinnig groß", wenn man sich die Zahlen anschaue. Die Hoffnung sei wohl vor allem, dass dieser Schritt eine abschreckende Wirkung habe.

Shownotes
Asylpolitik
Wenn man die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern macht
vom 12. September 2023
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartnerin: 
Gudula Geuther, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio