Die Zahl der Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr schrumpft, trotz Personaloffensive. Dabei soll die Truppe eigentlich wachsen. Der Journalist Thomas Wiegold erklärt, in welchen Bereichen Personal fehlt – und warum.

Die erklärte Zeitenwende, die Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöst hat, trifft insbesondere die Bundeswehr. "Deutschland muss kriegstüchtig werden", sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im vergangenen Herbst. "Ein souveränes Land muss in der Lage sein, sich gegen äußere Feinde im Ernstfall zur Wehr zu setzen. Krieg führen können, um keinen Krieg führen zu müssen."

Deshalb nimmt die Bundeswehr aktuell an der Nato-Übung "Steadfast Defender" (etwa "Standhafter Verteidiger") teil. 12.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind dabei. Insgesamt sollen bis 2031 über 200.000 Menschen bei der Bundeswehr dienen, doch aktuell sinkt die Truppenstärke. Deshalb wird auch wieder über die Einführung einer Wehrpflicht diskutiert.

"Die Bundeswehr ist auch eine Pendlerarmee"
Thomas Wiegold, Journalist für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik

Doch nicht in allen Bereichen suche die Armee nach Personal, erklärt Thomas Wiegold. Er ist als Journalist spezialisiert auf Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Die klassische Kampftruppe, etwa Fallschirmjäger oder Infanteristen, habe keine großen Probleme. Fachkräftemangel herrsche bei komplizierten Ausbildungsberufen. "Da geht es um Leute, die einen Kampfhubschrauber reparieren oder an einem Jet schrauben. Die haben in der Industrie sehr attraktive Arbeitsbedingungen, und da tut sich die Bundeswehr schwer."

Personalmangel beeinflusst Verteidigungsfähigkeit

Die lange Verpflichtungszeit sei für viele unattraktiv, genau wie die Lage der Bundeswehrstandorte. "In Deutschland ist schon lange nicht mehr so, dass es die Kaserne um die Ecke gibt", sagt Thomas Wiegold. In den vergangenen Jahrzehnten sei die Bundeswehr drastisch verkleinert worden, viele Kasernen wurden geschlossen. "Die Bundeswehr ist auch eine Pendlerarmee. Sehr viele Soldaten und Soldatinnen fahren jedes Wochenende hunderte Kilometer, um in die Kaserne oder nach Hause zu kommen." Da sind andere Betriebe in der Nähe einfach attraktiver.

Worüber sich Bewerberinnen und Bewerber bei der Bundeswehr beschweren

Der Personalmangel hat Auswirkungen auf die Verteidigungsfähigkeit. "Die Streitkräfte sind zunehmend ein sehr komplexer technischer Betrieb. Einen Kampfjet zu reparieren, ist nichts, wo man mal eben kurz angelernt werden kann“, sagt der Thomas Wiegold. Auch im IT-Bereich fehlen Fachleute, etwa um Computernetzwerke zu betreuen oder moderne Fernmeldetechnik einzurichten.

Dabei tut die Bundeswehr einiges, um Personal zu werben: Plakatkampagnen oder ganze Doku-Serien. Woran liegt es also, dass die Armee nicht wächst? "Ein Teil des Problems liegt in der Verwaltung", erklärt Thomas Wiegold. Bewerberinnen und Bewerber würden sich beschweren, dass sie lange keine Rückmeldung erhalten, nachdem sie sich gemeldet oder sogar einen Einstellungstest absolviert haben. "Die erfahren dann wochenlang nicht, ob es geklappt hat. Und zwischendurch haben sie schon woanders eine Stelle oder einen Studienplatz bekommen."

Die Zufriedenheit bei den Menschen, die bei der Bundeswehr arbeiten, ist laut Thomas Wiegold unterschiedlich: "Manche haben einfach nicht genügend Gerät, da fehlen Panzer oder Autos. Und dann ist die Zufriedenheit nicht sehr groß."

Shownotes
Fachkräftemangel
In diesen Jobs fehlt der Bundeswehr Nachwuchs
vom 06. Februar 2024
Moderation: 
Marcel Bohn
Gesprächspartner: 
Thomas Wiegold, Journalist für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik