Tausende Geflüchtete mussten in Moria unter unwürdigen Bedingungen in notdürftigen Unterkünften ausharren. Auch diese sind nun weitgehend zerstört, berichtet der Fotograf Murat Türemiş. Er war während des Brandes vor Ort.

Das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist in der Nacht zum 09.09.2020 abgebrannt. Rund 13.000 Menschen hatten in dem Lager Zuflucht gefunden, das ursprünglich für knapp 3000 Geflüchtete ausgelegt war. Ob es Verletzte und Tote gibt, ist noch unklar. Die Versorgungslage wird seit Jahren als menschenunwürdig beschrieben.

"Ich glaube, ein Drittel der Zelte hat es nicht erwischt. Das Kernlager, das als Aufnahmelager gebaut worden war, ist komplett zerstört"
Murat Türemiş, Fotograf, momentan auf Lesbos

"Diese Menschen sind jetzt auch noch obdachlos", sagt der Fotograf Murat Türemiş. Der Brand habe die notdürftige Versorgungsstruktur in dem Lager nun völlig zerstört. Murat Türemiş arbeitet im Moment vor Ort. Zwei Drittel der dürftigen Unterkünfte für Geflüchtete seien wohl zerstört, schätzt er. Die Situation sei "für Europa eine ganz große Schande".

Jugendliche Flüchtende aus Moria: ohne Schutz und ohne Habe

Viele der unbegleiteten Minderjährigen in dem Lager hätten nun nur noch das, was sie am Leib tragen. Er sagt: "Ich habe viele Minors gesprochen, die sind einfach raus aus dem Lager. Die haben alles verloren."

Murat Türemiş beschreibt, die Menschen seien in der Nacht von Polizeiabsperrung zu Polizeiabsperrung geirrt. Mancher habe völlig schutzlos auf dem Boden geschlafen: "Teilweise lagen die Männer nur mit den Klamotten auf dem Asphalt."

Rauch und Tränengas

Die Leute hätten nicht atmen können, weil sich viel Rauch entwickelt habe. Zusätzlich habe die Polizei Tränengas abgefeuert, um die Menschen zurückzuhalten, berichtet Murat Türemiş.

Die genaue Ursache des Brandes ist noch nicht bekannt (Stand 09.09.2020). Mehrere Feuer seien gelegt worden. Der Brand habe sich am Abend des 08.09.2020 dann ausgehend von drei Feuerstellen rasch entwickelt, sagt Murat Türemiş. Auch die griechische Regierung geht von Brandstiftung aus.

"Keiner weiß, wer diese Feuer gelegt hat. Jedenfalls gab es Unruhe aufgrund des Covid-19 Ausbruchs. Wir haben ungefähr 30 Fälle und das hat den Leuten Angst gemacht."
Murat Türemiş, Fotograf, momentan auf Lesbos
Die Überreste des Lagers in Moria – aufgenommen am 09.09.2020
© imago images | ANE Edition
Die Überreste des Lagers in Moria – aufgenommen am 09.09.2020

Nach Angaben des griechischen Migrationsministers Notis Mitarakis sollen die obdachlos gewordenen Menschen zunächst auf Schiffen und in neuen Zelten unterkommen. Außerdem sollen zwei Landungsschiffe der Kriegsmarine die Menschen aufnehmen, hieß es aus Athen. Auch eine griechische Reederei habe eine Fähre bereitgestellt. Zudem sollen rund 400 unbegleitete Kinder von Lesbos aufs Festland gebracht werden, hieß es weiter.

Hinweis: Die Nachrichtenlage zum Brand und zur aktuellen Lage im Flüchtlingslager Moria ändert sich laufend. Aktuelle Informationen findet ihr bei unseren Nachrichten und bei den Nachrichten des Deutschlandfunks.

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Shownotes
Lesbos – Bericht von der Brandnacht
Moria: Menschen zwischen Rauch und Tränengas
vom 09. September 2020
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartner: 
Murat Türemiş, Fotograf, momentan auf Lesbos