Die Stadt Moskau investiert pro Jahr 50 Millionen Euro in das Fangen und Sterilisieren von Straßenhunden. Trotzdem leben dort 35.000 herrenlose Hunde. Und die sind gut angepasst. Die Tiere halten sich an die Verkehrsregeln und fahren sogar Metro.
In der russischen Hauptstadt Moskau leben zwölf Millionen Menschen. Damit ist Moskau die einwohnerstärkste Stadt auf dem europäischen Kontinent. In all dem Gewusel leben auch 35.000 herrenlose Straßenhunde, die sich über die Jahre ganz gut ans Stadtleben angepasst haben. Sie kommen zum Beispiel hervorragend im Straßenverkehr zurecht, denn offenbar haben die Hunde gelernt, sich an die Verkehrsregeln zu halten, sagt Deutschlandfunk-Nova-Tierexperte Mario Ludwig.
"Es gibt Straßenhundrudel, die an Ampeln auf die Grünphase warten, um dann gemeinsam die Straße zu überqueren."
Ein Indiz dafür, dass die Hunde die Ampelschaltung und deren Bedeutung wirklich verstanden haben, ist, dass sie auch nachts an den Moskauer Ampeln stehen bleiben, wenn keine anderen Fußgänger unterwegs sind. Anscheinend haben sie gelernt, dass sie stehen bleiben müssen, wenn das obere Licht leuchtet, und gehen dürfen, wenn das untere leuchtet, denn ähnlich wie manche Menschen, leiden Hunde unter einer rot-grün-Sehschwäche.
Morgens fahren die Straßenhunde mit der Metro in die Stadt
Die meisten der 35.000 Straßenhunde von Moskau leben in Vorstädten. Vermutlich, weil es dort so schön ruhig ist, sagt Deutschlandfunk-Nova-Tierexperte Mario Ludwig. Aber schon frühmorgens machen sie sich auf den Weg zur Metrostation um mit der Bahn in die Innenstadt zu fahren. Völlig selbstverständlich sitzen sie dann zusammen mit Berufspendlern in der Bahn.
Straßenhunde fahren zusammen mit Bahnpendlern in die Innenstadt
Es ist beinah so, als würden die Hunde selbst zur Arbeit fahren. Abends machen sie sich auch wieder auf den Weg zurück in die Vorstädte - und wenn sie eine Station zu weit gefahren sind, weil sie eingeschlafen sind, steigen sie einfach in eine andere Metro ein, und fahren diese Station wieder zurück. Mario Ludwig deutet so manche Verhaltensweise der Moskauer Straßenhunde als Zeichen für deren Cleverness und Anpassungsfähigkeit.
"Die Hunde steigen fast ausschließlich nur in den ersten oder letzten Wagon der Metro ein. Hunde haben sensible Ohren - dort ist die Lärmbelästigung am geringsten."
Warum die Straßenhunde zusammen mit den Pendlern in die City fahren, ist relativ einfach zu erklären. Sie finden dort leicht Futter. Dort gebe es mehr Essensreste, Abfall und Müll zu fressen, sagt Mario Ludwig. Einige Hunde durchwühlen tatsächlich einfach nur Mülltonnen, andere stellen sich an den Straßenrand und setzen ein süßes Gesicht auf - irgendeiner kommt schon und gibt ihnen etwas zu essen.
Andere haben etwas aggressivere Strategien: Diese Hunde schleichen sich von hinten an Menschen heran, die gerade in einer Imbissbude etwas zu Essen gekauft haben. Ganz unvermittelt bellen sie dann so laut, dass den Menschen das Take-Away-Food aus der Hand fällt. Das ist dann natürlich leichte Beute.
Denkmal für Straßenhunde
Die Menschen, die in Moskau leben, mögen ihre Straßenhunde. Sie gehören für die meisten einfach zum Stadtbild dazu. Vielleicht wegen dieser Beliebtheit gibt es ein Denkmal für alle Straßenhunde. Es ist eine Bronzestatue in der Schalterhalle der Metrostation Mendelejeweskaja, die dem Mischlingsrüden Maltschik gewidmet ist, der 2001 von einer angeblich geisteskranken Person mit zahlreichen Messerstichen getötet wurde.
Seit 2002 lässt die Regierung keine Straßenhunde mehr töten. Im Gegenteil, sie investiert pro Jahr 50 Millionen Euro in die Tiere - was im Übrigen mehr ist, als für Obdachlose bereit steht. Auch Tierschutzorganisationen füttern die Hunde regelmäßig, weil sie zum einen dafür sorgen, dass öffentliche Plätze frei von Speiseresten bleiben, zum anderen sind die U-Bahnschächte in Moskau wegen der Hunde weitestgehend frei von Ratten.
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