Die Nato verlangt mehr Geld für Verteidigung. Bald sollen die Mitgliedsländer 5 Prozent ihres BIP für Rüstung und verteidigungsrelevante Infrastruktur berappen. Kann Deutschland es sich überhaupt leisten, so viel Geld für die Verteidigung auszugeben?
Beim Nato-Gipfel in Den Haag (Beginn: 25.6.2025) soll eine Entscheidung fallen, die für Deutschland enorme Auswirkungen haben könnte: Die Mitgliedstaaten sollen künftig jedes Jahr fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung und verteidigungsnahe Infrastruktur auszugeben.
5 Prozent für Rüstung: Was bedeutet das konkret?
Nun könnte man denken: Fünf Prozent ist ja nicht so viel. In Euro sind aber 150 Milliarden. Dieser Betrag soll bis 2029 erreicht werden. Bisher liegt der Verteidigungsetat bei 54 Milliarden Euro.
Ein anderer Vergleich, der verdeutlich, wie viel 5 Prozent sind: 2024 umfasste der gesamte Bundeshaushalt etwa 476 Milliarden Euro. Wird mit den 5 Prozent ernst gemacht, würde Verteidigung mit Abstand zur größten Position im Etat aufsteigen, sagt Henrik Müller. Er ist Professor für wirtschaftspolitischen Journalismus an der Technischen Universität Dortmund.
Er findet: Angesichts der Bedrohungslage aus Russland sollte Deutschland tatsächlich mehr in Rüstung investierten. "Noch hat Deutschland die fiskalische Möglichkeit, solche Ausgaben zu stemmen", sagt er. Für andere Länder, die zum Teil deutlich höher verschuldet seien, dürfte das schwieriger werden, meint Müller.
"Wir haben seit fünf Jahren kein Wirtschaftswachstum. Wenn das bei gleichzeitig steigenden Schulden so weitergeht, wird es schwierig."
Ein Kritikpunkt derer, die gegen die höheren Rüstungsausgaben sind, lautet: Im Gegenzug werde an anderer Stelle gespart, am wahrscheinlichsten bei den Sozialausgaben. Diese Befürchtung ist laut Müller nicht unbegründet. Daher, argumentier er, ist es wichtig, dass Deutschland nicht nur auf neue Ausgaben setzt, sondern die Wirtschaft in Schwung bringt. "Ein wachsender Wohlstand stabilisiert die Schuldenlage und signalisiert den Finanzmärkten: Deutschland bleibt verlässlich", so Müller.
"Sozialausgaben dürfen nicht verdrängt werden", sagt auch David Matei. Gleichzeitig steht für ihn fest: "Sicherheit kostet Geld." Matei ist Jugendoffizier bei der Bundeswehr. Außerdem ist er einer der bekanntesten deutschen Influencer, wenn es ums Militär und Sicherheitspolitik geht.
Matei sieht die 5 Prozent nicht so sehr als Rüstungsziel, sondern als politisches Signal: "Wer abschrecken will, muss investieren." Matei scheint mit dieser Argumentation nicht allein zu sein. Sein ranghöherer Kollege Marcel Bohnert, Oberstleutnant im Generalstab und stellvertretender Vorsitzender des Bundeswehrverbandes, formuliert es ähnlich.
"Ich bin nicht pro Militarisierung, weil ich mich über Aufrüstung freue, sondern weil wir dieser Bedrohungslage Rechnung tragen müssen."
Bundeswehr am Limit?
Wenn Bohnert über die Bundeswehr spricht, klingt sie nach einer Institution am Limit. Kaputte Kasernen, veraltetes Material, Personalmangel – ein Zustand, der sich über Jahre durch Sparpolitik verschärft habe. Hoffnung setzt Bohnert nun auf die neue Zielmarke der Nato.
"Diese fünf Prozent werden uns helfen, eine Bundeswehr zu schaffen, die ihren Namen auch verdient und ihren Auftrag ausführen kann."
Doch wie realistisch ist es eigentlich, dass die Bundesregierung ihre Rüstungsausgaben dermaßen hochfährt und dafür mehr Staatsschulden in Kauf nimmt? Schließlich werden andere politische Ziele – beispielsweise der Wohnungsbau oder Klima – zwar gesetzt, doch nicht unbedingt erreicht. In dem Fall dürfte es anders ausgehen, prognostiziert Henrik Müller von der TU Dortmund.
Denn der äußere Druck – er meint die anderen Nato-Mitglieder, vor allem im Osten, aber auch die USA – sei sehr groß. Daher geht Müller davon aus, dass "den Worten und Plänen auch Taten folgen werden". Was Müller jedoch bezweifelt, ist ob die Bundesregierung es schafft, auf Dauer dafür Mehrheiten zu bilden.
Ökonomische Perspektive: investieren oder ruinieren?
In den hohen Rüstungsausgaben und den damit einhergehenden höheren Staatsverschuldung sieht Müller nicht notgedrungen ein "Pleite-Risiko" für Deutschland. Gleichzeitig müsse darauf geachtet werden, dass klug ausgegeben und investiert werde.
Das heißt laut Müller, dass es nicht nur darum gehen kann, neue Panzer, Hubschrauber und Fregatten anzuschaffen. "Die wird man wahrscheinlich auch brauchen. Daneben müssen wir jedoch auch auf militärische Forschung und Entwicklung setzen." Und dann, so die Schlussfolgerung, könnten die Rüstungsausgaben auch für die Wirtschaft nachhaltig etwas Positives bewirken.
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de