Dass er festgenommen werden würde, ahnte der Kremlkritiker Alexej Nawalny. Trotzdem flog er zurück nach Moskau. Mit an Bord war seine Ehefrau Julia Nawalnaja. Warum ist der Oppositionelle zurückgekehrt? Dlf-Korrespondent Thielko Grieß war am Flughafen in Moskau, als Nawalny in seiner Heimat gelandet ist - überraschenderweise aber an einem anderen Flughafen.

Am 17. Januar waren am Moskauer Flughafen Wnukowo im Südwesten der Hauptstadt etliche Journalisten und Journalistinnen vertreten. Auch Polizei- und Sicherheitskräfte waren vor Ort sowie einige hundert Unterstützerinnen und Unterstützer des Politikers Alexej Nawalny.

Nawalny hatte einen Anschlag mit Nervengift überlebt

Der Kremlkritiker hatte sich in Deutschland von einem Anschlag mit dem als Chemiewaffe verbotenen Nervengift Nowitschok erholt. Das Attentat geschah am 20. August 2020 in der sibirischen Stadt Tomsk: Alexej Nawalny hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den Inlandsgeheimdienst FSB dafür verantwortlich gemacht. Monate später hat er mit einem der mutmaßlichen Attentäter telefoniert: Darüber haben wir berichtet. Die Europäische Union hat nach dem Anschlag Sanktionen gegen Vertreter des russischen Machtapparats verhängt.

Das Flugzeug, in dem der Politiker am Sonntag saß, hat kurz vor der Landung abgedreht und den Moskauer-Flughafen Scheremetjewo angesteuert. "Damit wollten die Behörden vermeiden, dass all die Kameras, die da in Wnukowo standen, Nawalny abfilmen konnten", sagt Thielko Grieß. Auch habe man eine mögliche Demonstration der Anhängerschaft Nawalnys vermeiden wollen.

Nawalny wird an der Passkontrolle verhaftet

Nach der Landung am Flughafen Scheremetjewo wurde der Politiker an der Passkontrolle festgenommen. Anschließend wurde er zu einer Polizeiwache gebracht, wo er seitdem festgehalten wird.

Alexej Nawalny hat damit gerechnet, dass er nach seiner Ankunft verhaftet werden würde. Dennoch ist er zurückgekehrt. "Er hat immer gesagt: Ich will zurück. Russland ist meine Heimat", sagt Thielko Grieß.

"Nawalny ist einfach hier zu Hause. Das ist auch ein starkes Gefühl: Er ist Russe, er ist Moskauer."
Thielko Grieß, Dlf-Korrespondent in Moskau

Thielko Grieß glaubt, dass Alexej Nawalny und andere Oppositionelle wissen würden, worauf sie sich einlassen. Sie würden ihre Lage realistisch einschätzen. Auch, mit wem sie sich anlegen, wenn sie Kritik üben. Nämlich mit dem russischen Staat, der keine Kritik duldet.

"Nawalny und auch andere Oppositionelle sind Leute, die sehr, sehr starken Charakters sind. Und sehr willensstark."
Thielko Grieß, Dlf-Korrespondent für Russland

Die offizielle Begründung für Alexej Nawalnys Festnahme lautet, dass er gegen eine Bewährungsstrafe verstoßen habe. Bis Ende Dezember 2020 hatte der Politiker noch eine Bewährungsstrafe zu absolvieren: Eine der Auflagen war, dass er Russland nicht verlassen dürfe. Die Behörden werfen ihm nun vor, dass er nach seiner Entlassung aus der Berliner Charité, wo er nach dem Anschlag behandelt wurde, sofort hätte zurückkehren müssen. Ohne weiteren Aufenthalt in Deutschland, um wieder ganz gesund zu werden.

Ende Januar soll es einen Gerichtstermin geben, so Thielko Grieß. "Dann wird entschieden werden, ob aus dieser Bewährungsstrafe eine reale Gefängnisstrafe für Alexander Nawalny wird."

Shownotes
Russland
Alexej Nawalny kommt in Haft - trotzdem wollte er zurück nach Moskau
vom 18. Januar 2021
Moderatorin: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Thielko Grieß, Dlf-Korrespondent für Russland