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Zweimal im Jahr spritzen statt einer Tablette täglich: Lenacapavir schützt zuverlässig und langfristig vor HI-Viren. Fachärztin Clara Lehmann weiß, wie es funktioniert und kann das Potenzial des neuen Medikaments einschätzen. Die Kosten kennt sie auch.

Ein Gamechanger, ein Durchbruch, ein großer Fortschritt in der Medizin: die Spritze mit dem Medikament Lenacapavir. Sie soll effektiv vor einer Infektion mit HIV schützen, wenn sie jedes halbe Jahr verabreicht wird.

"Wir haben damit einen ganz wichtigen Baustein, der anscheinend sehr wirksam und relativ einfach umzusetzen ist, damit die HIV-Infektionen deutlich runter gehen."
Clara Lehmann, Infektionsforscherin, Uniklinik Köln

Das Medikament gibt es schon länger. Bisher haben es allerdings Menschen erhalten, die sich schon mit dem HI-Virus infiziert hatten. Das heißt: Lenacapavir wurde bisher zur Behandlung von HIV eingesetzt. Jetzt geht es um die Prävention. Denn entscheidende Studienergebnisse zeigen, dass das Medikament HIV-negative Menschen vor einer Infektion mit dem Virus schützt.

Ein Durchbruch

Wird das Medikament alle sechs Monate unter die Haut gespritzt, sorgt es dafür, "dass regelmäßig Medikamentendosen von diesem Lenacapavir im Blut und im Gewebe freigesetzt werden, insbesondere auch in den Schleimhäuten, sodass, wenn HIV an diese Schleimhäute kommt, es direkt geblockt wird und es dadurch nicht zu einer Infektion kommt", erklärt die Infektionsforscherin Clara Lehmann von der Uniklinik Köln.

Damit ist die Spritze eine weitere Möglichkeit, mit der sich nicht-infizierte Personen vor einer Ansteckung mit HIV schützen können.

Was ist eine PrEP?

Medikamente vorsorglich als Schutz einzunehmen, ist auch als PrEP bekannt. Das steht für Prä-Expositions-Prophylaxe, ist also eine Safer-Sex-Methode für Menschen, die HIV-negativ sind. Laut der Deutschen Aidshilfe schützt die PrEP so gut vor HIV wie zum Beispiel Kondome. Dafür muss das Medikemant aber richtig eingenommen werden. Bisher wird dafür ein Medikament in Tablettenform verschrieben, das in der Regel jeden Tag genommen werden muss. Vergisst man eine Tablette, schützt die PrEP im Zweifelsfall nicht mehr so gut, wie sie sollte.

Hier kann die neue Spritze ein großer Vorteil sein, weil sie nur jedes halbe Jahr aufgefrischt werden muss. Das ist besonders auch für Menschen wichtig, die keinen guten Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Zumal eine HIV-Infektion in manchen Ländern weiterhin stark tabuisiert ist. Eine Spritze ist hier unauffälliger.

Enorm hohe Kosten

Allerdings gibt es aktuell zwei offene Fragen:

  1. Zulassung: Bisher ist unklar, ob und wann Lenacapavir als PrEP-Spritze für HIV-negative Personen auf den deutschen Markt kommt. Das Medikament ist aktuell nur für die Behandlung von HIV-positiven Menschen zugelassen. Laut dem Deutschen Ärzteblatt könnte es aber Anfang 2026 so weit sein. Der Hersteller Gilead hat der Fachzeitschrift gesagt, dass die Zulassung frühestens Ende 2025 kommen könnte.
  2. Kosten: Das Medikament ist sehr teuer. Die Behandlung einer bestehenden HIV-Infektion damit kostet rund 42.000 Dollar pro Person und Jahr, also ungefähr 40.000 Euro. Wie hoch die Kosten dann sind, wenn es als Präventions-Medikament eingesetzt wird, ist noch offen. Die PrEP-Mittel, die bisher auf dem Markt sind, kosten aber zwischen 50 und 60 Euro im Monat. Das wären bis zu 720 Euro im Jahr. In Deutschland kann man sich die PrEP-Medikamente, die es schon gibt, auch verschreiben lassen. Dann übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten. Bisher sind die Medikamente in erster Linie für Risikogruppen gedacht.

Der Hersteller Gilead will jetzt die Zulassung seiner PrEP-Spritze in etlichen Ländern beantragen, darunter auch einige afrikanische Länder südlich der Sahara. Mehr als die Hälfte der HIV-Infizierten lebt in Ost- und Südafrika. Bleiben die Kosten von Lenacapavir allerdings weiterhin so hoch wie aktuell, wäre ein Einsatz in genau diesen Ländern undenkbar, so die Infektionsforscherin Clara Lehmann.

Shownotes
Schutz vor Aids
Neue Spritze: "HIV wird direkt geblockt"
vom 28. November 2024
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Clara Lehmann, Leiterin des Infektionsschutzzentrums, der Infektionsambulanz sowie der Post-Covid-Ambulanz an der Uniklinik Köln
    Weiterführende Quellen zu dieser Folge: