Kein Sex ohne aktive Zustimmung – seit dem 1. Juli 2018 ist es in Schweden offiziell Pflicht, vor dem Geschlechtsverkehr das Okay des Partners einzuholen. Aber wie soll das eigentlich umgesetzt werden? Unsere Reporterin Victoria Reith hat sich in Schweden umgehört.
Schon im Vorfeld hatte das neue Gesetz zu Sex und Vergewaltigung in Schweden für Verwirrung gesorgt. Vor allem da manchen nicht klar war, wie es in der Praxis umgesetzt werden soll. Deutsche Medie haben beispielsweise berichtet, dass die Schweden vor dem Sex einen schriftlichen Vertrag abschließen müssten. Was nicht stimmt, wie die schwedische Botschaft mitgeteilt hat.
Tatsächlich kann die Zustimmung auf verschiedenen Wegen gegeben werden. Im Gesetzestext steht, dass ein Einverständnis wörtlich oder durch Handlungen möglich ist. Eine Handlung kann hierbei das aktive Mitmachen sein. Wichtig ist, dass sich die teilnehmenden Personen im Zweifelsfall versichern sollten, ob der andere sich wirklich sicher ist und freiwillig weitermachen möchte.
"Die Schweden gehen noch einen Schritt weiter und sagen, 'Ich will noch mal von dir hören, dass du auch wirklich willst'."
Aktives Einverständnis zwingend
Seit das neue Gesetz in Kraft getreten ist, müssen Opfer also nicht mehr nachweisen, dass sie zum Sex gezwungen wurden oder dieser ohne ihr Einverständnis stattgefunden hat. Das gilt auch, wenn das Opfer während der Tat bewusstlos gewesen ist. Der sexuelle Übergriff kann in diesem Fall trotzdem geahndet werden.
"Die Menschen raffen jetzt vielleicht endlich mal, dass es wichtig ist, ein bisschen nachzudenken, bevor man Sex von jemandem verlangt. Das Ja sind zwar nur zwei Buchstaben, aber die sind verdammt viel wert."
Zusätzlich gibt es zwei neue Straftatbestände "fahrlässige Vergewaltigung" und "fahrlässige sexuelle Übergriffe". Zum Beispiel, wenn das Opfer bewusstlos war. Täter können hier zu Gefängnisstrafen von bis zu vier Jahren verurteilt werden - und dabei muss der Täter nicht mal absichtlich gehandelt haben.
Gesetz für neues Selbstverständnis in Gesellschaft
Ziel des neuen Gesetzes sei es, ein Zeichen zu setzen, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Victoria Reith, die mit verschiedenen Schwedinnen und Schweden gesprochen hat. Es solle für Menschen in Schweden selbstverständlicher werden, dass sie das Recht haben, über ihre eigenen sexuellen Handlungen zu bestimmen.
"Weil man eben nichts tun soll, was man nicht will, speziell wenn es um Sex geht. Übrigens nicht nur Frauen, sondern auch Männer und Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen."
Victoria hat bei verschiedenen Schweden nachgefragt, ob und warum sie das Gesetz für sinnvoll halten. Etwa bei der sozialdemokratischen Abgeordneten Carina Olsson. Für sie sind Nüchternheit und Wachheit zwei wichtige Punkte, die durch das Gesetz gestärkt werden. Denn wer stark betrunken ist oder schläft, kann sein Einverständnis nicht mehr aktiv geben.
"Wenn jemand betrunken ist oder schläft, darf man keinen Sex mit der Person haben."
Klarheit kommt nur eingeschränkt
Kritiker unterstellen dem neuen Gesetz, dass es nicht klar definiert, wie die Zustimmung in der Praxis aussehen solle. Das müsse von den Richtern von Fall zu Fall entschieden werden. Mittlerweile wurde sogar eine App entwickelt, mit deren Hilfe sich Schwedinnen und Schweden, die Sex haben wollen, vorher gegenseitig ihre Zustimmung digital übermitteln können. Was aber nicht ausschließt, dass es im Anschluss doch noch zur Vergewaltigung kommen kann. Und dann könnte sich der Täter eventuell auf die App berufen.
"Ich glaube, man kann auch denjenigen die Angst nehmen, die jetzt verwirrt sind, was sie eigentlich noch dürfen und was nicht. Es gilt immer die Devise: Sei kein Idiot und achte drauf, wie es deinem Partner geht!"
Auch in Schweden ist die #MeToo-Debatte intensiv geführt worden, sie gilt als Auslöser für die Entwicklung des neuen Gesetzes. Wie intensiv zeigen die Abstimmungsergebnisse im schwedischen Parlament: Fast alle Fraktionen, von den konservativen Christdemokraten bis zu den Linken, haben mit Ja und ohne Gegenstimme gestimmt. Nur die rechtspopulistischen Schwedendemokraten haben geschlossen ihr Nein abgegeben.
- Neues Gesetz in Schweden – Sex muss freiwillig sein - und das ausdrücklich | Ein Gespräch von Carsten Schmiester, ARD-Korrespondent für Stockholm, mit Thilo Jahn in der Redaktionskonferenz. Es geht um die Anbahnung des neues Sexualstrafgesetzes im Dezember 2017.