Bei Instagram mehren sich die Videos, die den Zusatz "neurodivergent" haben. Wir klären, was es damit auf sich hat und haben mit einem Neurowissenschaftler gesprochen.

Laut Insta können neurodivergente Personen diese beiden ineinader verwurschtetelten Songs von Abba und Eminem auseinanderhalten.

Unter "neurodivergent" werden diverse Abweichungen von der Neuro-Norm oder dem Neurotypischen zusammengefasst. Der Begriff trifft also zum Beispiel auf Menschen zu, die die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder eine Form von Autismus haben.

Laut Neurowissenschaftler Boris Konrad ist es äußerst schwer zu sagen, wie viele Menschen als neurodivergent beschrieben werden können. Das hängt mit dem Begriff selbst zusammen – denn Neurodivergenz ist erstmal ein Sammelbegriff, um zu verhindern, dass Menschen diskriminiert werden.

"Der Begriff Neurodivergenz wurde bewusst geschaffen, um Kategorien wie 'Das ist ein Autist' oder 'Der hat ADHS' ein bisschen abzuschaffen. Das sind immer Spektren."
Boris Konrad, Neurowissenschaftler

Wenn euch jetzt Videos gefallen, die speziell für neurodivergente Menschen sein sollen, heißt das allerdings nicht automatisch, dass ihr deshalb auch neurodivergent seid. Denn auch "neurotypische" Personen können Spaß an solchen Sounds haben.

Für exakte Diagnosen eignen sich solche Sounds beziehungsweise Videos aber nicht, sagt Neurowissenschaftler Boris Konrad. Für manche neurodivergente Menschen könnten Sounds wie der Abba/Eminem-Mix ansprechend sein – andere, vor allem hochsensible Menschen wären damit völlig überfordert.

Online-Selbsttests: Bin ich neurodivergent?

Es gibt Online-Selbsttests, mit denen man sich der Antwort auf die Frage, ob man selbst neurodivergente Züge hat, annähern kann. Die Tests fragen verschiedene Sachen ab, zum Beispiel, ob es einen anstrengt, sich in großen Menschengruppen aufzuhalten. Solche Selbstdiagnose-Tools klingen erstmal unseriös – sie müssen es aber nicht zwangsläufig sein, sagt Boris Konrad. Die Tests als erste Einschätzung zu nutzen, ist also okay. Die tatsächliche Diagnose sollte dann aber natürlich von Fachleuten gestellt werden.

"Diese Selbstdiagnose-Tools übernehmen Fragen, die auch Mediziner verwenden. Insofern können sie als kleine Indikation taugen, ob da was dran ist."
Boris Konrad, Neurowissenschaftler

Dass das Thema auch in sozialen Medien gerade präsenter wird, liegt laut Boris Konrad auch daran, dass sich gesellschaftlich etwas geändert hat: Neurodivergenz rückt mehr ins Bewusstsein der Menschen und wird dabei nicht mehr so häufig als defizitär betrachtet.

Shownotes
Neurodivergenz
Wenn das Gehirn etwas anders tickt
vom 14. Februar 2023
Moderation: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Justus Wolters, Deutschlandfunk Nova