Wenn die besonders schöne Stelle in einem Musikstück oder die Horrorszene in einem Film kommt, dann läuft uns ein Schauer über den Rücken, wir bekommen Gänsehaut oder frösteln. Dabei geht es auch in unserem Hirn richtig ab.

Es ist vielleicht unser Lieblingssong, bei dem wir uns schon auf genau die eine Stelle freuen. Sobald wir sie hören, erschauern wir. Das haben Forschende in Frankreich jetzt auch bei Probanden mit einer Studie im Gehirn messen können.

Messen, was abgeht

Wann die Teilnehmenden diesen Schauer empfinden, können die Forschenden nicht wissen. Deshalb müssen diese ein Zeichen geben, wenn sie körperlich reagieren. Die Forschenden untersuchen dann, ob genau in dieser Zeit auch das Gehirn besondere Aktivitäten zeigt. Dafür werden die Probanden verkabelt, die Elektroden können dann feststellen, welche Zellen aktiv sind.

Der Neurowissenschaftler Henning Beck erklärt, dass mehrere Hirnregionen aktiv sind. Zum einen diejenige, die für Vorfreude zuständig ist. Wir ahnen oder wissen, dass gleich die tolle Stelle kommt. Gleichzeitig sind Regionen aktiv, die wiederum dämpfen. In diesem Zusammenspiel wird dann das freudige Ereignis besonders intensiv erlebt.

"Da ist eine freudige Erwartungshaltung, die dann bestätigt wird. Das spricht unsere Belohnungsregion besonders an."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Bei dieser Vorfreude spielt eine motorische Komponente eine große Rolle, sagt Henning Beck. Wir gehen schon im Voraus im Rhythmus mit oder singen mit. Diese Vorbereitung im Geiste wird vorab im Gehirn verarbeitet, bis dann die eigentliche Stelle kommt. Wenn es dann soweit ist, ist das Gefühl besonders intensiv. Am Ende spielt auch die Belohnungsregion eine Rolle, wenn es dann genau so eingetreten ist, wie wir das erahnt haben.

Als Musik Kommunikationsmittel war

Diese Schauer haben für unser Überleben überhaupt keine Funktion, sagt Henning Beck. Möglicherweise ist dieses Erschauern ein Relikt aus unserer Vergangenheit, sagt der Neurowissenschaftler.

"Das ist reiner Luxus. Eigentlich brauchen wir das nicht. Keiner hat etwas davon, wenn Musik schön ist, außer dass sie schön ist."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

In unserer Evolution war Musik auch eine Form von Kommunikation und hat sich gleichzeitig mit Sprache und Rhythmik entwickelt. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das mit Instrumenten Musik macht. Der soziale Austausch und die Kommunikation waren schon damals besonders wichtig. Dass wir heute noch erschauern, wenn wir bestimmte Dinge hören, hängt womöglich mit dieser Vergangenheit zusammen. Wobei nicht alle Menschen über dieses Relikt verfügen. Ungefähr die Hälfte der Menschheit wird davon nicht mehr berührt.

Shownotes
Neurowissenschaft
Wenn uns ein Schauer über den Rücken läuft
vom 07. November 2020
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler