Obwohl wir wissen, dass es sinnlos ist, machen wir manchmal Dinge zu Ende – nur um sie abzuschließen. In der Verhaltenspsychologie nennt man das "Sunk Cost Fallacy". Wir wollen bereits getätigte Investitionen nicht als verloren akzeptieren.

Viele Menschen haben Probleme dabei, Dinge durchzuziehen. Dass wir Sachen nicht machen, obwohl wir sie machen müssten, kennen wir alle. Das ist die Aufschieberitis beziehungsweise Prokrastination.

Es geht aber auch anders herum: Wir machen Dinge weiter, um sie fertig zu kriegen – obwohl wir sie eigentlich blöd finden oder für überflüssig halten:

  • Wir schauen eine Serie oder einen Kinofilm zu Ende, obwohl sie langweilig sind.
  • Wir lesen ein Buch durch, obwohl es uns nicht gefällt.
  • Wir puzzlen ein langweiliges Puzzle oder spielen ein ödes Spiel zu Ende.
  • Wir nehmen beim Sightseeing auch noch Sehenswürdigkeit 37 mit, obwohl unser Hirn schon lange nichts mehr verarbeiten kann.
  • Wir bleiben in einer schlechten oder belastenden Beziehung.

Warum können wir in solchen Momenten so schwer abbrechen?

Das Problem der verlorenen Kosten

Dahinter steckt ein Klassiker der Verhaltens- und Wirtschaftspsychologie, erklärt Neurowissenschaftler Henning Beck: die sogenannte Sunk Cost Fallacy (etwa: der Verlorene-Kosten-Irrtum), auch "eskalierendes Commitment" genannt. Er besagt, dass wir bereits getätigte Investitionen nicht als verloren akzeptieren wollen. Stattdessen werfen wir lieber noch mehr Investitionen hinterher.

"Unser Kopf sagt: Du hast schon so viel in eine Sache reininvestiert – wenn du jetzt aufhörst, dann hast du diese Kosten verloren."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Den Kinofilm einfach abbrechen und den Saal verlassen? Mmmmh, aber wir haben doch eine Eintrittskarte bezahlt! Dass sich die Sunk Cost Fallacy an Geld orientiert, ist ein Klassiker, sagt Henning Beck. Weil sich unser Gehirn sehr gerne an etwas Materiellem orientiert.

Beziehung: Schluss machen fällt schwer

Es geht aber auch anders, etwa, wenn Menschen eine lange Beziehung aufrechterhalten, obwohl sie schon lange nicht mehr funktioniert. Da sie aber schon sehr viel Zeit und Emotionen hineininvestiert haben, schaffen sie den Exit nicht. Motto: Das muss ich zu einem guten Ende führen!

"Weil wir Verluste immer stärker vermeiden wollen, als dass wir Gewinne kriegen wollen, vermeiden wir eben dieses Aufhören."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Psychologisch stecken zwei Dinge dahinter, so der Neurowissenschaftler:

  1. Wir fühlen einen Verlust immer stärker als ein Gewinn – deshalb neigen wir dazu, ihn zu vermeiden: Der Verlust, der mit dem Beenden der Beziehung verbunden ist, wird im Gehirn stärker bewertet als der mögliche Gewinn, dass wir dadurch in Zukunft vielleicht ein besseres Leben haben.
  2. Wir sind in einem Konzert, haben dafür eine Karte bezahlt, finden die Performance aber total schlecht. Trotzdem verlassen wir die Location nicht, sondern sitzen (oder stehen) das Ganze aus. Warum? Weil wir uns ansonsten anschließend nicht einreden könnten, dass wir zumindest etwas gekriegt haben für unser Geld (auch wenn das schlecht war).

Zukünftige Entscheidungen auch an der Zukunft ausrichten

Wir sollten uns im Hier und Jetzt immer wieder fragen, was wir mit unserer Zeit, mit unserem Geld, mit unseren Ressourcen gerade am sinnvollsten tun könnten, empfiehlt Henning Beck. So, dass wir – wenn wir in einem halben Jahr zurückschauen – sagen können: Das war das Beste, was ich in diesem Moment machen konnte.

"Ich muss mich freimachen von der Idee, dass ich zurückschaue und meine zukünftige Entscheidung an der Vergangenheit ausrichte. Ich muss meine zukünftige Entscheidung an der Zukunft ausrichten."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Das grundsätzliche Problem: Je mehr wir in etwas reininvestieren, desto schlechter kommen wir dort wieder raus. Bei kleinen Sachen wie bei großen: Wer einen Krieg führt und schon viel reininvestiert hat, der beendet ihn nicht so einfach wieder. In einer toxischen Beziehung sei das ganz ähnlich, erklärt Henning Beck. Wir müssten uns die Zukunft vorstellen und nicht die Vergangenheit.

Shownotes
Eskalierendes Commitment
Deshalb gucken wir langweilige Filme bis zum Ende
vom 25. Februar 2023
Moderation: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler