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Volle Züge, fette Verspätungen, maximaler Frust. Und jetzt sagt die Bahn: Neustart. Weniger Manager, mehr Entscheidungen vor Ort. Aber stoppt diese Strategie wirklich das Chaos – und was passiert 2026?

Es ist nicht nur subjektiver Eindruck: Ein Blick auf die Pünktlichkeitsstatistik der Deutschen Bahn zeigt, dass sich die Werte in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert haben. Im Fernverkehr war zuletzt nur noch gut jeder zweite Zug pünktlich, hinzu kommen Ausfälle und Ersatzbusse, ein marodes Schienennetz – die Stimmung ist mies.

"Heute ist ein Tag des Aufbruchs, ein Tag des Neuanfangs für die Deutsche Bahn."
Evelyn Palla, Bahnchefin

Die Bahn will das ändern – allen voran mit der neuen Bahnchefin Evelyn Palla an der Spitze. Sie ist das Gesicht des erhofften Neuanfangs. Bei ihrer Vorstellung im September hat sie große Worte benutzt: "Heute ist ein Tag des Aufbruchs, ein Tag des Neuanfangs für die Deutsche Bahn."

Die neue Bahnchefin gibt sich bewusst bodenständig

In späteren Interviews schlug sie bescheidenere Töne an. Sie sehe sich nicht als große Visionärin, sondern eher als Aufräumerin. Der "Bild" sagte sie, dass sie auf Bahnfahrten selbst mit anpacke, das Zugpersonal unterstütze und sogar Toiletten reinige – etwa, indem sie Papier aufhebe oder Verschmutzungen wegwische.

"Ich reinige die Toiletten dahingehend, dass oft auch Papier am Boden liegt, dass es Wasserspritzer am Waschbecken gibt, da kann man einfach mal drüber wischen mit dem Papiertaschentuch."
Evelyn Palla, Bahnchefin

Die neue Bahnchefin gibt sich bewusst bodenständig, meint unser Reporter Justus Wolters. Sie betone, trotz ihres Jobs normal geblieben zu sein, auch als Mutter von drei Kindern. Zu Hause habe sich wenig verändert, sie erledige weiterhin Alltägliches. So wolle sie nicht als abgehobene Managerin wahrgenommen werden, sondern als Macherin, die Bürokratie abbaut – nach dem Motto: weniger Papier, mehr Tun.

Bewusste Abkehr von Heilversprechen

Palla kommt weder aus der Politik noch aus dem klassischen Bahn-Apparat. Die Südtirolerin war lange in der Privatwirtschaft tätig und arbeitete unter anderem bei den Österreichischen Bundesbahnen. Zuletzt leitete sie DB Regio. Dort absolvierte sie zudem berufsbegleitend eine Ausbildung zur Lokführerin.

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Als Bahnchefin steht Palla nun im Fokus, mit direktem Draht zum Kanzler und viel Aufmerksamkeit. Ihre Rolle interpretiert sie deutlich nüchterner als ihre Vorgänger, meint unser Reporter Justus Wolters. Statt großer Versprechen spreche sie davon, zunächst damit aufzuhören, die Lage weiter zu verschlechtern – eine bewusste Abkehr von Heilsversprechen.

Zentrales Ziel: "Pünktlichkeit stabilisieren"

"Pünktlichkeit stabilisieren" – so beschreibt Palla ihr zentrales Ziel. Große Versprechen vermeide sie bewusst, alles andere sei unrealistisch. Konkret heißt das: Bis 2026 sollen im Fernverkehr 60 Prozent der Züge pünktlich sein. Zuletzt war es nur noch gut jeder zweite Zug.

Dabei spreche sie ungewöhnlich offen über den Zustand der Bahn: Das Netz sei überlastet, veraltet und marode. Neben langfristigen Projekten setze sie deshalb auf schnelle Verbesserungen für Fahrgäste – saubere Toiletten, funktionierende Bordbistros und mehr Sicherheit an Bahnhöfen. Dafür sollen Millionen investiert werden.

Bahnchefin Palla – Basics im Fokus

Frieder Kümmerer, Bahnexperte und Reporter beim SWR in Stuttgart, zeigt sich bei der Strategie der neuen Bahnchefin zwiegespalten. Die Konzentration auf Basics wie das Fahr­erlebnis sei nicht falsch. Viele Menschen nutzten täglich oder regelmäßig die Bahn, ihnen müsse gezeigt werden, dass sich der Umstieg auf den öffentlichen Verkehr lohne.

Gleichzeitig reiche das nicht aus. Entscheidend sei, dass Abläufe wieder besser funktionierten und die Systematik im Bahnkonzern reibungsloser laufe. Die Zahnräder müssten wieder ineinandergreifen, statt sich zu blockieren. Frieder Kümmerer verweist darauf, dass Palla angekündigt habe, auch an diesen Stellschrauben drehen zu wollen.

Experte: Veränderungen brauchen Zeit

Frieder Kümmerer sieht vor allem Pallas Dezentralisierungsstrategie als Hoffnungsschimmer. Entscheidungen sollen nicht mehr nur aus den Zentralen in Berlin oder Frankfurt getroffen werden.

In Baden-Württemberg etwa mussten Züge für die Wartung bislang auf Freigaben aus der Hauptstadt warten. Palla habe nun angewiesen, dass solche Entscheidungen vor Ort fallen, was Abläufe erheblich beschleunigen könne.

"Man muss Frau Palla und der gesamten Führungsspitze, die sich neu sortiert, auch eine gewisse Zeit geben."
Frieder Kümmerer, Bahn-Experte und SWR-Journalist

Die neue Bahnchefin will die Konzernspitze umbauen und die Führungsetage deutlich verkleinern. Frieder Kümmerer begrüßt das, mahnt aber zur Vorsicht: Die Verlagerung von Entscheidungen näher zu den Eisenbahnern solle keine Stellen kosten. Aufgrund festgefahrener Strukturen seien schnelle Erfolge kaum realistisch und bräuchten Zeit.

"Frau Palla fängt an, mit realen Zahlen zu agieren."

Der Bahnexperte sieht hinter Pallas Ziel von 60 Prozent pünktlichen Fernverkehrszügen 2026 vor allem eine neue, realistische Kommunikationsstrategie. Die Zahl wirke zunächst schockierend, zeige aber den aktuellen Stand und mache deutlich, wie groß der Weg zu stabiler Pünktlichkeit noch ist.

"Wie kann das sein, dass wir froh sein müssen, wenn wir 60 Prozent erreichen? Aber Frau Palla fängt an, mit realen Zahlen zu agieren."
Frieder Kümmerer, Bahn-Experte und SWR-Journalist

Bis 2029 sollen 70 Prozent pünktlich sein. Frieder betont, dass dafür auf vielen Ebenen angepackt werden müsse. Wichtig seien nicht nur die Generalsanierung des Schienennetzes, wie oft behauptet werde, sondern auch Abläufe wie die Bereitstellung fahrbereiter Züge. Hier könnten unter anderem die geplante Dezentralisierung der Entscheidungen Verbesserungen bringen.

Auch wenn viel Geld in die Bahn fließt, beschreibt Frieder sie als Fass ohne Boden. Selbst enorme Mittel reichten nicht, um den früheren Zustand wiederherzustellen und den Verkehr zu verbessern. Er erwartet, dass Palla und die Bahn-Spitze früher oder später radikal priorisieren müssen.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Neustart 2026
Wie die Bahn langsam pünktlicher werden will
vom 22. Dezember 2025
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Frieder Kümmerer, Bahn-Experte und SWR-Journalist
Gesprächspartner: 
Justus Wolters, Deutschlandfunk Nova