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In Nordamerika macht ein riesiges Millionenheer von Staren den Menschen das Leben ziemlich schwer. Und deshalb ist kaum ein Vogel in den USA mehr verhasst, als der Star.

Stare richten in Nordamerika große Schäden an: Heere von ihnen fressen Maisfelder, Obstplantagen und Weinberge leer. Ein Starenschwarm kann zum Beispiel innerhalb von 24 Stunden 20 Tonnen Kartoffeln auffressen. Außerdem machen sie sich ganz gezielt über das Tierfutter in Trögen und Scheunen her.

Eine Studie aus dem Jahr 2009 zeigte, dass Stare allein in der US-amerikanischen Landwirtschaft jährlich einen Schaden von rund 800 Millionen Dollar verursachen. Darüber hinaus sorgen sie durch ihren stark ätzenden Kot an Gebäuden in den Städten für weitere Schäden in Millionenhöhe jährlich. Und Stare gelten als Überträger von zum Teil gefährlichen Krankheiten: etwa Histoplasmose, Toxoplasmose und der Newcastle-Krankheit.

Stare plündern Plantagen und sind eine Gefahr für die Luftfahrt

Zum schlechten Ruf der Stare trug auch eines der größten Flugzeugunglücke in der Geschichte der amerikanischen Luftfahrt bei: Am 4. Oktober 1960 flog ein Schwarm von Staren in eine Verkehrsmaschine, die gerade vom Logan Airport in Boston, Massachusetts gestartet war. Die Vögel blockierten die Triebwerke der Maschine und diese fielen aus, sodass die Maschine abstürzte. Nur zehn der 72 Insassen überlebten den Crash durch sogenannten "Vogelschlag".

"'Starenbedingt' sind auch schon Menschen ums Leben gekommen."
Mario Ludwig über den Flugzeugabsturz

Versuche, die Starenpopulation einzudämmen

Schon 1914 haben Landwirte in den USA begonnen, gegen die Starenplage mit Gift und gezielten Abschüssen vorzugehen. Und auch später wurde immer wieder versucht, die Starenpopulation einzudämmen: Zwischen 1964 und 1967 hat man im Bundesstaat Kalifornien neun Millionen Stare vergiftet. Und allein 2008 wurden im Auftrag der US-Regierung 1,7 Millionen Stare getötet. Bei einer Gesamtpopulation von rund 200 Millionen Staren ist das natürlich ein sehr überschaubarer Erfolg.

Auch ein spezielles Vogelgift namens DRC-1339 wurde entwickelt. Dieses Gift verursacht bei den Tieren Organversagen – nach ein bis zwei Tagen sterben sie. DRC-1339 wurde so häufig eingesetzt, dass es unter dem Namen "Starlicide" (Starenkiller) bekannt wurde.

Skurrile Formen der Bekämpfung von Staren

In der Not entwickelten die Menschen noch andere Ideen, um gegen die Stare vorzugehen: In Washington DC wurden die Stare zum Beispiel durch Eulenrufe aus Lautsprechern eingesetzt – anderem bekämpften die Vögel mit Falkenattrappen und Luftballons. Und als das alles nichts nutzte, setzte man aus lauter Verzweiflung sogar auf Juckpulver. In anderen Städten kamen Knallkörper und sogar Laserstrahlen zum Einsatz. Pragmatischer dachte das US-Landwirtschaftsministerium – und veröffentlichte 1931 ein Rezept zur kulinarischen Zubereitung von Starenbrust.

"Wenn die Brüste der Vögel für zwölf Stunden in eine Lösung aus Sprudelwasser und Salz eingelegt und anschließend lange in Wasser gekocht werden, kann man aus ihnen schöne Fleischpasteten herstellen."
Mario Ludwig, Deutschlandfunk-Nova-Biologe, zitiert aus dem Rezept für Starenbrust

Bisher haben die Amerikaner aber vergeblich viele Millionen Dollar ausgegeben, um die Starenpopulation zu verkleinern. Kamen sie unter Druck, haben die Stare nämlich einfach ihre Fortpflanzungsrate erhöht. Und das wird wohl auch in Zukunft so bleiben.

Wieso die Stare in den USA zur Plage wurden

Stare gab es nicht immer in Nordamerika: Der Star ist nämlich ein Vogel, der bis vor 130 Jahren ausschließlich in Europa zu Haus war und erst Ende des 19. Jahrhunderts in den USA aufgetauchte. Er hat damit eine Einwanderungsgeschichte und diese ist sehr kurios, so Mario Ludwig: Der amerikanische Apotheker Eugene Schieffelin, der Ende des 19. Jahrhunderts lebte, war ein sehr großer Shakespeare-Fan. Er hatte die Idee, alle Vogelarten, die Shakespeare in seinen Werken erwähnt hatte, nach Nordamerika zu bringen. Das war ein ehrgeiziges Ziel, immerhin tauchen in Shakespeares Gesamtwerk über 600 Vogelarten auf, darunter auch der Star.

"Er hat eine ganz kuriose Einwanderungsgeschichte. Da war eigentlich William Shakespeare für verantwortlich."
Mario Ludwig, Deutschlandfunk-Nova-Biologe, zur Einwanderung der Stare in die USA

Und so kam es, dass Schieffelin im März 1890 sechzig aus England importierte Stare im New Yorker Central Park ausgesetzt hat. Und im darauffolgenden Jahr hat er dort noch mal vierzig Vögel freigelassen. Inzwischen hat sich in den Vereinigten Staaten aus dieser überschaubaren Menge der aktuelle Bestand von 150 bis 200 Millionen Tieren entwickelt. Im Gegensatz zu Deutschland: Bei uns ist der Star 2018 zum "Vogel des Jahres" gewählt worden. Und zwar um darauf hinzuweisen, dass die Bestände des kleinen Vogels bei uns zurückgehen.

Shownotes
Nordamerika
Starstruck – Warum Stare in den USA eine Plage sind
vom 15. Mai 2019
Moderatorin: 
Jenni Gärtner
Gesprächspartner: 
Mario Ludwig, Biologe und Zoologe