Am neunten November 1938 brannten die Nazis jüdische Geschäfte und Synagogen nieder in der Reichspogromnacht. Der NS-Begriff Reichskristallnacht ist aber auch noch nicht ganz ausgestorben. Genau wie andere Wörter, die ihren Ursprung in der Nazizeit haben. Es gebe in der Sprache der gegenwärtigen Rechtspopulisten wieder eine Tendenz, solche Wörter zu gebrauchen, sagt der Autor Matthias Heine.

Der Begriff Reichskristallnacht sei sicherlich kein Wort, das zum Kernwortschatz der nationalsozialistischen Ideologie gehöre, "und dessen Gebrauch dann mehr oder weniger das Hirn braun färbt" sagt Matthias Heine. Er ist Autor des Buches "Verbrannte Wörter". Trotzdem meint er: Es sei eine Frage des Stils, ob wir das Wort benutzen oder nicht. In dem Beitrag "Warum ist der Begriff 'Kristallnacht' verschwunden" führt der Deutschlandfunk die wichtigsten Punkte dafür auf, dass inzwischen der Begriff Pogromnacht stattdessen verwendet wird.

"Ich finde, es ist eine Frage des Stils, wenn das Gegenüber sagt, es klingt für ihn herablassend oder höhnisch, oder man hat alleine nur das Gefühl, es könnte so klingen, dann soll man es weglassen."
Matthias Heine, Autor

In seinem Buch hat Matthias Heine geschaut, welche Wörter aus der NS-Sprache heute noch im Gebrauch sind. Es gebe schließlich in der Sprache der gegenwärtigen Rechtspopulisten wieder eine Tendenz, solche Wörter zu gebrauchen. Bei Reichskulturkammer oder Volksverräter, wissen wir alle, dass es Naziwörter sind.

Der Begriff Eintopf sei unwidersprochen erst in den frühen 1930er Jahren massenhaft aufgekommen. "Erst, als die Nazis 1933 dann sogenannte Eintopfsonntage dem Volk verordnet haben, an denen jeder ein Gericht nur in einem Topf kochen sollte, und das gesparte Geld für das Winterhilfswerk spenden sollte“, erst in diesem Zusammenhang sei das Wort aufgekommen. Und auch im allerersten Wörterbuch der Nazisprache, das 1944 in New York herausgekommen sei, steht Eintopf als NS-Begriff.

Eintopf als NS-Begriff?

Dürfen wir deshalb Eintopf nicht mehr sagen? Matthias Heine hat dazu eine klare Haltung: "Na selbstverständlich kann man das benutzen, denn dieses Wort ist in keiner Weise Träger irgendeiner Ideologie." Es sei eine relativ sachliche Beschreibung, was man da kocht, findet er. Und: heute denke ja auch schließlich keiner mehr an NS-Ideologie, wenn er einen Eintopf koche.

Bombenwetter gab's schon vor der Nazizeit

Bombenwetter sei möglicherweise ein Wort, das mündlich gebraucht wurde. Aber in den einschlägigen Quellen habe er es nicht gefunden. "Was ja logisch ist, weil weder in der NSDAP-Presse noch im Rundfunk gab es Grund zu sagen, 'Heute ist ja Bombenwetter, es ist mit Luftangriffen zu rechnen.'" Das wäre ja geradezu kontraproduktiv gewesen, meint er. Als Bezeichnung für schönes Wetter, habe es den Begriff auch schon lange vor der Nazizeit gegeben, zum Beispiel in österreichischen Reiseprospekten.

"Umvolkung, das war für die Nazis etwas Erstrebenswertes. Man dachte, bestimmte Ethnien in Osteuropa könnte man zu Deutschen machen. Heute ist damit die Vorstellung verbunden, es gibt irgendwelche Verschwörungen zum Bevölkerungsaustausch."
Matthias Heine, Autor

Das Wort Volksverräter steht Anfang der 1940er Jahre zum ersten Mal im Duden. "Eines dieser vielen Begriffsbildungen mit Volk. Das wird von Rechtspopulisten und Nazis heute massiv wieder benutzt.“ Gleichzeitig gebe es aber auch Begriffe wie Gleichschaltung oder Umvolkung. Die werden heute anders benutzt. Für die Nazis war Gleichschaltung etwas Erstrebenswertes – sie haben den Begriff eingeführt, um die Presse gleichzuschalten, alle sollten dasselbe schreiben. Im rechtspopulistischen Diskurs sei es ja so, dass "die gleichgeschaltete Presse angeblich nicht genug über die Flüchtlingskriminalität und zu schlecht über die AfD schreibt.“

Shownotes
NS-Sprache
"Selbst Nazis denken nicht an Hitler, wenn sie Eintopf sagen"
vom 08. November 2019
Moderatorin: 
Steffi Orbach
Gesprächspartner: 
Matthias Heine, Autor des Buches "Verbrannte Wörter"