Kein Prozess hat länger gedauert in Deutschland. Seit gut fünf Jahren wird in München über die Verbrechen der NSU-Terrorzelle verhandelt. Mit immer neuen Befangenheitsanträgen wird der Prozess in die Länge gezogen. Es gibt aber ein Zeitlimit für die Richter – könnte der NSU-Prozess am Ende scheitern?

Am 9. November wird weiterverhandelt, man könnte auch sagen: weiterblockiert. Die Beweisaufnahme ist eigentlich schon seit Sommer abgeschlossen, danach kamen die Plädoyers der Bundesanwaltschaft. Es fehlen nur noch die Schlussplädoyers der Nebenkläger. Trotzdem geht nichts voran. 

"Die Verteidiger und die Angeklagten versuchen mit einer Serie von Befangenheitsanträgen, den Prozess zum Platzen zu bringen."
Ina Krauß, ARD-Gerichtsreporterin

Über zwölf solcher Anträge habe es in der letzten Phase des Prozesses seit den Plädoyers der Bundesanwaltschaft gegeben, sagt Ina Krauß. 

Taktik der Verteidigung

Alle wurden sie abgelehnt. Die Befangenheitsanträge würden mehr oder weniger aus dem Nichts gestellt.  

"Die Richter für befangen zu erklären, dazu geben diese im Moment gar keinen Anlass – sie kommen nämlich kaum zu Wort."
Ina Krauß, ARD-Gerichtsreporterin

Viele Prozessbeobachter halten das Vorgehen der Verteidiger für reine Strategie. Ein Prozess darf nicht länger als drei Wochen unterbrochen werden, sonst platzt er. 

Zwölf Jahre Gefängnis drohen

Die Verteidigung habe nicht mehr viel anderes zu bieten, sagt Ina Krauß. Den Angeklagten drohen zwölf Jahre Gefängnis – so wie es der Antrag der Bundesanwaltschaft vorsieht.

"Ein Abbruch wäre bei diesem Mammut-Verfahren eine Katastrophe."
Ina Krauß, ARD-Gerichtsreporterin

Das Gericht sei sich der Gefahr eines Abbruches bewusst und agiere extrem vorsichtig, sagt Ina Krauß. 

Bloß keinen Fehler machen

Viele Nebenkläger kritisieren das Verhalten der Richter und fordern, den Angeklagten und ihren Verteidigern klarere Grenzen zu setzen.

"Das Gericht nimmt sich viel Zeit. Es will auf keinen Fall einen Fehler machen und damit einen Grund für eine Revision liefern."
Ina Krauß, ARD-Gerichtsreporterin

Die Angehörigen der Opfer sind sehr ärgerlich, berichtet Ina Krauß. Sie reisen an, haben etwas zu sagen – und dann fällt die Anhörung wegen einer weiteren Verschiebung aus. Diese ganze Situation sei extrem belastend für die Nebenkläger.

"Wenn das öffentliche Interesse an dem Prozess nachlässt, weil immer wieder vertagt wird, ist das für die Nebenkläger sehr schmerzlich."
Ina Krauß, ARD-Gerichtsreporterin
Shownotes
NSU-Prozess ohne Ende
"Ein Abbruch wäre eine Katastrophe"
vom 09. November 2017
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Ina Krauß, ARD-Gerichtsreporterin