Die Argentinierin Ofelia Fernández ist die jüngste Abgeordnete in der Geschichte Lateinamerikas. Sie steht für das feministische Aufbegehren in ihrem Land, das sich unter dem Namen "Revolution der Töchter" formiert und Gehör verschafft hat: Frauen sollen legal abtreiben und selbst über ihr Leben bestimmen dürfen.
Ofelia Fernández ist 19 Jahre alt und die bekannteste Stimme unter den Feministinnen in ihrem Heimatland Argentinien. Schon 2018 sorgt sie mit einer wütenden Rede, in der sie die Legalisierung von Abtreibungen forderte, für Aufsehen. Ihr Auftritt vor den Abgeordneten, fast alles Männer, dreimal so alt wie sie selbst, geht viral, die Medien schreiben von der "Revolution der Töchter".
"Ihr müsst euch mit der Idee anfreunden, dass wir selbst entscheiden, welches Leben wir führen – und dass wir nicht mit dem Leben bezahlen, wenn wir eure scheinheiligen Moralvorstellungen ablehnen."
Die Forderung, Abtreibungen zu legalisieren, gibt es schon zwei Jahre lang, als die argentinische Abgeordnetenkammer am 14. Juni 2018 nach 20 Stunden Debatte dafür stimmt, einen gesetzlichen Rahmen dafür zu schaffen. Der Unterschied zu bisherigen politischen Debatten in Argentinien: Dieses Mal gehen Hunderttausende auf die Straße, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Es sind vor allem junge Frauen, die gegen verkrustete Strukturen, Machismo und die Haltung der Kirche demonstrieren. Und eine von ihnen ist Ofelia Fernández.
Ofelia Fernández: Das Revolutionäre besteht darin, alles infrage zu stellen
Auch wenn das Gesetzesprojekt zur Legalisierung von Abtreibungen später im konservativen Senat scheitert, hat die monatelange Abtreibungsdebatte Argentinien verändert. Niemand verkörpert das besser als Ofelia Fernández, damals 18 Jahre alt, die von vielen hart kritisiert wird. Doch das ist sie – die schon mit elf Jahren ein politisches Bewusstsein entwickelt hat und in der Schulzeit anfing, sich politisch zu engagieren, schon gewohnt. Ihr Spitzname sei schon früh "vorlaute Göre" gewesen, sagt Ofelia Fernández.
"Vorlaute Göre" wird jüngste Abgeordnete
Anderthalb Jahre später steht Ofelia Fernández erneut in einem Plenarsaal – am Handgelenk ein grünes Tuch, das Symbol für die feministische "Revolution der Töchter" –und spricht ihren Amtseid, als sie zum jüngsten Mitglied in der Regierungskoalition von Alberto Fernández berufen wird.
"Vor allem in einer Zeit, in der man uns sagt, dass die Realität gegeben ist und sich jeder besser um sich selbst kümmert. Da alles infrage zu stellen, ist für mich revolutionär."
Geboren zum Jahrtausendwechsel, wächst Ofelia Fernández in einer Zeit auf, in der ganz Lateinamerika nach links rückt. In Argentinien werden, nach Jahren der Amnestie, die Verbrechen der Militärdiktatur vor Gericht gebracht. Zehntausende wurden damals umgebracht, vor allem junge Menschen, kaum älter als Ofelia Fernández.
Die gerade mal Elfjährige will sich selbst einbringen, inspiriert auch von Argentiniens erster gewählten Frau im Präsidentenpalast, Cristina Kirchner. Mit 15 wird Ofelia zur ersten weiblichen Präsidentin des Schülerausschusses am Colegio Pellegrini gewählt, einer der besten öffentlichen Schulen des Landes.
Sie organisiert Schulstreiks gegen die marktorientierte Bildungsreform, bringt die #MeToo-Debatte ins Klassenzimmer und debattiert in TV-Talks über integralen Sexualunterricht – Ofelia fällt auf und polarisiert. Das macht sie auch zum Ziel von Hetzkampagnen.
Ofelia Fernández eckt im rechtskonservativen Stadtparlament an
Mit Gegenwind muss die junge Abgeordnete rechnen – sie gehört zwar der aktuellen Regierungskoalition an, doch im Stadtparlament hat die rechtskonservative Opposition des Ex-Präsidenten Mauricio Macri das Sagen.
Gleich mit ihren ersten Projekten eckt Ofelia Fernández an: Sie pocht auf die sofortige Umsetzung eines Gesetzes, wonach Beamte in Genderfragen geschult werden müssen – und das die Stadtregierung bisher verschleppte.
Und sie macht sich für kostenlose, gesunde Ernährung an Schulen der Stadt stark, denn die Armut ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen, viele Familien können sich Essen kaum noch leisten.
Ofelia Fernández geht weiterhin auf die Straße
Obwohl die städtische Abgeordnete Ofelia Fernández jetzt über politischen Einfluss verfügt, geht sie weiterhin auf die Straße, denn für sie hat der Kampf der argentinischen Frauen gegen Machismo und für Gleichberechtigung gerade erst begonnen.
"Früher galten Frauen, die den Mund aufmachen, als hysterisch, heute lassen wir uns nicht mehr einschüchtern. Wir machen jetzt Politik."