Obdachlos, vorbestraft oder zu viele Lücken im Lebenslauf – all das kann es Jobsuchenden erschweren, eingestellt zu werden. Eine Großbäckerei, nicht weit von New York City, gibt durch sogenanntes Open Hiring jedem eine Chance.

Yonkers ist mit 200.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt im Bundesstaat New York. Im Süden grenzt sie an New York City. Bernard Glassman ist in den 1980er-Jahren nach Yonkers gekommen. Der inzwischen verstorbene Zenbuddhist und Sachbuchautor engagierte sich zeitlebens als Initiator und Manager für viele Sozialprojekte.

In den 1980ern war Yonkers die Stadt mit den meisten Obdachlosen in den USA. Diesen Menschen wollte Bernard Glassman eine Chance geben, wieder in ein geregeltes Leben zurückzufinden. Er eröffnete eine Bäckerei mit Café in Yonkers und stellte sie ein, – diejenigen also, die sonst keiner beschäftigen wollte.

"Ich hatte keine eigene Wohnung und lange Zeit keine Arbeit. Ich litt unter schlimmen Depressionen. Jetzt habe ich eine Wohnung und seit kurzer Zeit auch ein Auto."
John, 50 Jahre alt und arbeitet seit fünf Jahren in der Greyston Bakery

Aus diesem kleinen Projekt entwickelte sich später ein viel größeres: Die Großbäckerei Greyston, die mit ihrer industriellen Produktion inzwischen Großkunden wie den Eishersteller Ben & Jerry's beliefert.

Open Hiring: Eintrag in eine Liste genügt für den Jobeinstieg

Hier lebt das Konzept des vorurteilsfreien Jobeinstiegs weiter. Wer in der Großbäckerei arbeiten möchte, trägt sich mit Namen und Telefonnummer auf eine Liste ein. Eine klassische Bewerbung mit Lebenslauf und Vorstellungsgespräch ist nicht erforderlich.

Auch Devon arbeitet seit 2015 in der Greyston Bakery, die rund 120 Mitarbeitende beschäftigt. Er ist vorbestraft. Ein Ausschlusskriterium für einen Jobeinstieg in fast jedem anderen US-Unternehmen, sagt Peter Mücke, Korrespondent in New York City. Selbst zu einem Vorstellungsgespräch wäre der 32-Jährige höchstwahrscheinlich nie eingeladen worden. Bei seiner Einstellung in der Großbäckerei spielte seine Vorstrafe aber gar keine Rolle.

"Sie beurteilen dich nicht. Es gibt keine Hintergrundprüfungen. Erst wirst du angelernt und dann kannst du nach einer Zeit aufsteigen."
Devon, Mitarbeiter in der Greyston Bakery

Der Job an den Backöfen der Großbäckerei ist kein einfacher, die 12-Stunden-Schichten sind körperlich anstrengend. Der Lohn ist für die Region vergleichsweise gut, sagt unser Korrespondent, er liegt etwas über dem Mindestlohn.

Die Greyston Bakery arbeitet mit einem gemeinnützigen Träger zusammen, der den Mitarbeitenden hilft, wenn sie vor Problemen stehen. Wenn sie beispielsweise befürchten, ihre Wohnung zu verlieren oder keine Kinderbetreuung finden können.

Das Konzept, das seinen Anfang in den 1980er-Jahren genommen hat, ist nicht neu, aber durchaus erfolgreich. Eine Stiftung, die aus der Firma ausgegründet wurde, versucht auch andere Unternehmen von der Idee des Open Hirings zu überzeugen. Inzwischen haben sich in den USA Unternehmen wie Ikea und Body Shop zu ähnlichen Modellprojekten inspirieren lassen.

Shownotes
Open Hiring
Einfacher Jobeinstieg für Benachteiligte
vom 16. März 2023
Moderation: 
Tina Howard
Gesprächspartnerin: 
Peter Mücke, Korrespondent in New York