Seit mehr als einem Jahrzehnt will die SPD den Genossen Thilo Sarrazin loswerden. Auch die AfD-Führung ist nicht über jedes Mitglied glücklich: Andreas Kalbitz wurde aus der Partei ausgeschlossen. Das sei aber gar nicht so einfach, sagt Rechtswissenschaftlerin Sophie Schönberger. Denn die Hürden im Gesetz sind hoch.
Ein Endlos-Streit, der in eine neue Runde geht: Seit über zehn Jahren will die SPD den Genossen Thilo Sarrazin wegen seiner islamkritischen Äußerungen loswerden – bislang jedoch ohne Erfolg. Am heutigen Freitag (31.07.2020) berät sich die letzte innerparteiliche Instanz in dem Verfahren: die Bundesschiedskommission der SPD.
In Deutschland sei es nicht einfach, ein Mitglied aus einer Partei zu werfen – und das ist auch gut so, sagt Sophie Schönberger. Sie ist Rechtswissenschaftlerin an der Universität Düsseldorf. Es gebe hohe gesetzliche Hürden, um einen autoritären Führungsstil in einer Partei zu verhindern.
"Wenn die Parteiführung mit einem Mitglied nicht einverstanden ist, kann sie nicht einfach sagen: Du passt uns nicht. Wir schmeißen dich raus."
Hohe Hürden im Gesetz verankert
Nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen sei es möglich, ein Mitglied tatsächlich aus einer Partei auszuschließen. Unter anderem wenn die Person "schwerwiegend gegen die Grundsätze oder die Ordnung" der Partei verstoße und zusätzlich der Partei einen schweren Schaden zugefügt habe, erklärt Sophie Schönberger. Es sei zwar nicht unmöglich, aber rechtlich sei ein Rauswurf damit nur unter ganz bestimmten Umständen zulässig.
"Die Parteien müssen innerparteilich demokratischen Grundsätzen genügen. Das heißt, sie dürfen nicht autoritär von oben nach unten organisiert sein."
Der Fall Sarrazin
Im Fall Sarrazin sei ein Parteiausschluss aber wahrscheinlich, vermutet die Rechtswissenschaftlerin. Die Begründung der SPD sei nachvollziehbar. Die fremdenfeindlichen Thesen des SPD-Politikers und das Medienecho habe der Partei einen großen Schaden zugefügt, so Sophie Schönberger.
Anders bewertet sie den Versuch der AfD, den früheren Brandenburger-Landeschef Andreas Kalbitz loszuwerden: In dem Fall stünden die Chancen auf Erfolg deutlich schlechter, sagt sie.
"Es ist nicht unmöglich ein Parteimitglied loszuwerden. Aber es ist wirklich nur unter ganz besonderen Umständen rechtlich zulässig."
Der Fall Kalbitz
Kalbitz zählt neben Björn Höcke zu den führenden Köpfen des sogenannten Flügels. Erst im März wurde der als rechtsextrem eingestufte Flügel der Partei offiziell aufgelöst. Jetzt wird Kalbitz von der Parteiführung vorgeworfen, verheimlicht zu haben, Mitglied in der verbotenen Neonazi-Organisation Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) gewesen zu sein. Im Gegensatz zum Fall Sarrazin wurde hier aber kein offizielles Parteiausschlussverfahren eingeleitet, sagt die Rechtswissenschaftlerin.
"Die AfD-Führung möchte im Fall Kalbitz, eine politische Strömung eindämmen mit Hilfe eines Parteiausschlusses."
Die AfD-Führung versuche den offiziellen Weg zu umgehen, sagt Sophie Schönberger. So wolle sie eine politische Strömung innerhalb der Partei durch einen Parteiausschluss eindämmen. Das sei rechtlich nicht zulässig. Das habe das Landgericht Berlin schon einmal gesagt – und werde es vermutlich erneut tun.
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