Vor 18 Monaten wurde der Fall öffentlich: Massenhaft wurden Frauen auf einem Festival in Mecklenburg-Vorpommern dabei gefilmt, wie sie zur Toilette gingen. Heimlich. Das Ganze landete dann auf Pornoseiten im Internet. Patrizia Schlosser hat seither recherchiert, wer die Täter sind, und glaubt, dass strengere Strafen auch ihnen helfen könnten.
Der Fall von dem Festival, auf dem Frauen dabei gefilmt wurden, wie sie zur Toilette gingen, ist kein Einzelfall. Aber er hat auf ein Problem aufmerksam gemacht: wie leicht es ist, heimlich an Videomaterial zu kommen, das die Privatsphäre von Menschen – meist Frauen – verletzt und eine Straftat ist. Das schwierige daran: Den Tätern ist nicht leicht auf die Spur zu kommen.
Beinahe täglich kommen neue Spannervideos ins Netz
Die Journalistin Patrizia Schlosser hat 18 Monate lang recherchiert. Sie wollte wissen, wer die Täter sind. Dabei ist sie schnell auf Deutschlands größter Pornoseite Xhamster gelandet. Beinahe täglich würden dort neue Spannervideos hochgeladen, berichtet Patrizia Schlosser. In Foren unterhielten sich User darüber – die meisten seien sich sicher, dass sie sowieso nicht erwischt werden. Die Journalistin schätzt, dass die Szene sehr groß ist.
Wie groß, lässt sich aber nicht so leicht sagen. Auch die Polizei gehe von einer hohen Dunkelziffer aus. Was fehlt sind Anzeigen. Aber damit eine Frau überhaupt erst zur Polizei geht, muss sie erst mal herausgefunden haben, dass Bilder von ihr auf Pornoseiten gelandet sind.
Spannervideos sollten als Sexualstrafdelikt eingestuft werden
Den Tätern fehlt laut Patrizia Schlosser offenkundig das Bewusstsein dafür, dass sie eine Straftat begehen. Auf Spannervideos stehen derzeit bis zu zwei Jahre Haft – in der Regel laufe es aber auf eine Geldstrafe hinaus, sagt die Journalistin. Die Politik könne vielmehr dagegen tun, wenn sie entsprechende Taten nicht als Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht einstufen würde, sondern als sexualisierte Gewalt. Für Patrizia Schlosser ist die Sache klar: Spannervideos sind ein Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung. Und das sollte als Sexualstrafdelikt eingestuft werden.
"Spannervideos sind ein Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung."
Die Journalistin glaubt, dass es den Tätern auch helfen könnte, zu begreifen, was sie da tun, wenn Spannervideos härter bestraft würden. "Ich denke, dass es auch was gutes für die Täter wäre, wenn sie erkennen, was sie einem Menschen antun, indem man sagt, das ist die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung eines Menschen", so Patrizia Schlosser. Aus ihrer Sicht hätte das eine größere abschreckendere Wirkung.
Opfer können sich nicht schützen
Das perfide an der Sache ist nämlich, dass sich Opfer kaum schützen können. Es bringe ja nichts, mit einem Kameradetektor auf die Toilette zu gehen, so Patrizia Schlosser. Erkennen könne man die Kameras mit bloßem Auge nicht. Da sei die Technik sehr weit. Sie sei bei ihren Recherchen auf Kameras gestoßen, die schon in die Toiletten eingebaut sind, oder auf Kameras, die aussehen wie Rauchmelder oder Kugelschreiber.
Gefilmt werde auch überall: In Umkleidekabinen, öffentlichen Duschen oder eben Toiletten – auch auf privaten. Es müssten nicht einmal immer fremde Täter sein. Sie habe auch mit Frauen gesprochen, die von Arbeitskollegen oder dem eigenen Freund gefilmt wurden.
Das einzige was helfe sei Öffentlichkeit, sagt Patrizia Schlosser. Über das Thema müsse mehr geredet werden – auch, um Behörden, Ermittler und Gesetzgeber für das Thema zu sensibilisieren.
Patrizia Schlosser hat einen Film über ihre Recherche gedreht. "Spannervideos – das heimliche Verbrechen" läuft Montag (13. Juli 2020) um 23.05 Uhr im Ersten und ist danach in der Mediathek zu sehen.