Die Bundeswehr hat zu wenig Personal. Deshalb will Verteidigungsminister Pistorius zurück zur Wehrpflicht. Er ist der Meinung, die Bundeswehr müsse wieder "kriegstüchtig" werden. Eine Option: das schwedische Modell.

In Deutschland wurde die Wehrpflicht 2011 ausgesetzt, seitdem ist die Bundeswehr eine Berufsarmee. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" gesagt, die Abschaffung der Wehrpflicht sei rückblickend ein Fehler gewesen. Sein Vorbild in Sachen Wehrpflicht ist das Modell aus Schweden.

Schweden: Mit 18 kommt Post von der Musterungsbehörde

Schweden ist 2017 zur Wehrpflicht zurückgekehrt – nach sieben Jahren Pause. Seitdem gilt: Wer in Schweden 18 wird, bekommt einen Brief von der Musterungsbehörde – und zwar Männer und Frauen. Anschließend muss jede(r) online einen Fragebogen ausfüllen.

Fragebogen entscheidet über Musterung

Dabei geht es um persönliche Angaben – auch was die eigene Gesundheit angeht. Auf dieser Grundlage wird dann entschieden, ob jemand zur Musterung eingezogen wird oder nicht. Pro Jahr gibt es in Schweden etwas mehr als 100.000 18-Jährige, die diesen Fragebogen ausfüllen müssen. Wer danach noch in Frage kommt – etwa ein Fünftel, also ca. 20.000 Personen – wird gemustert.

Das Ganze dauert zwei Tage, inklusive weiterer Interviews, Tests und Untersuchungen, auch zur körperlichen Fitness. Am Ende steht noch ein Sicherheitscheck an. Wer auch den besteht, wird tatsächlich eingezogen. Das seien aber nur relativ wenige, sagt Stockholm-Korrespondent Christian Stichler.

"2017 waren es 4.000, in diesem Jahr sind es etwas mehr als 6.000 Männer und Frauen. Und die Zahl soll in den kommenden Jahren auf 10.000 anwachsen.“
Christian Stichler, ARD-Studio Stockholm

Die Wehrpflicht in Schweden beruht weitestgehend auf Freiwilligkeit. Wer schon beim Fragebogen angibt, keine Lust zu haben, wird auch nicht einberufen. Auch Zivildienst leisten muss nicht sein. Der ist nämlich weiterhin ausgesetzt.

Hohe Akzeptanz für das schwedische Modell

Zurzeit gibt es in Schweden genug Bewerber*innen, die auch wirklich zur Armee wollen. Sie machen den Grundwehrdienst, der sechs bis 15 Monate dauert. Es gibt auch die Aussicht auf eine Offizierslaufbahn im Anschluss.

"Insgesamt ist die Akzeptanz hoch für das Modell – auch bei den jungen Menschen. Und sie ist seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sogar noch mal deutlich gestiegen."
Christian Stichler, ARD-Studio Stockholm

Für Schweden ist der Krieg in der Ukraine allerdings auch näher als bei uns – und die Bedrohung somit realer.

Keine politische Mehrheit für Rückkehr zur Wehrpflicht

In Deutschland gibt es für eine Rückkehr zur Wehrpflicht zurzeit gar keine politischen Mehrheiten. Die FDP hält sie für einen zu großen Eingriff in die Freiheit junger Menschen. Ähnlich sieht es SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Er und auch die grüne Verteidigungspolitikerin Merle Spellerberg finden: Die Bundeswehr ist als Arbeitgeber unattraktiv.

"Die Vereinbarkeit von Dienst und Familie als einer der Punkte. Eine vielfältige Bundeswehr, die verschiedenste Menschen in unserer Gesellschaft anspricht."
Merle Spellerberg, B90/Grüne

Das schwedische Modell hat seinen Charme, findet Christian Stichler. Doch in der Praxis wäre Deutschland nicht wirklich vorbereitet auf die Wehrpflicht 2.0, sagt er: zu teuer, zu wenig Gerät, Mangel an Ausbildenden und Unterkünften für die Rekrut*innen – die Mängelliste bei der Bundeswehr ist lang.

Auch die schwedische Armee litt unter Fachkräftemangel

Die Vorteile einer Wehrpflicht nach schwedischem Modell sind aber ebenfalls deutlich: Denn auch die Armee in Schweden hat jahrelang über Personalmangel geklagt. Jetzt steht sie wieder besser da. "Mit der Wehrpflicht gibt es jetzt wieder ein Reservoir, aus dem heraus sich viele für eine längere Zeit verpflichten oder eben auch Berufssoldat oder -soldatin werden", sagt unser Korrespondent.

Shownotes
Pistorius-Vorstoß
Comeback der Wehrpflicht? Schwedisches Modell wird geprüft
vom 18. Dezember 2023
Moderatorin: 
Rahel Klein
Autor: 
Mathias von Lieben, Deutschlandfunk-Nova-Reporter