Die Regierung geht zwei Monate nach der Wahl nun auf das Bündnis von
Donald Tusk über. Mehr als vier Millionen Menschen in Polen haben die entscheidenden Parlamentsdebatten auf Youtube verfolgt, einige sogar im Kinosaal. Über die Stimmung im Land berichtet unser Korrespondent.

Bis zuletzt hat die PiS-Partei versucht, eine Mehrheit im Parlament für ihre nationalkonservative Regierung zu finden. Doch vergebens, keine Partei wollte mit ihr regieren.

Nun ist Donald Tusk am Zug: Er verkündete bereits vor zwei Monaten, kurz nach der Wahl, dass es einen Regierungswechsel geben würde. Am Mittwoch (13.12.2023) ist er als neuer polnischer Ministerpräsident vereidigt worden (oben im Bild).

"Dieser Regierungswechsel ist ein ganz grundlegender."
Martin Adam, ARD-Korrespondent in Warschau

Im Zuge dieses Regierungswechsels sei das Interesse für Politik in der polnischen Bevölkerung wahnsinnig hoch gerade, sagt Martin Adam, ARD-Korrespondent in Warschau.

Tusk will zurück zum Rechtsstaat

Tusk und sein Wahlbündnis seien mit dem Versprechen zur Wahl angetreten, die PiS-Partei abzulösen, und die tiefen Eingriffe dieser Regierung in die Unabhängigkeit der Medien, der Gerichte, der Bürger- und Frauenrechte rückgängig zu machen.

"Es ging darum, noch eigene Leute auf wichtige Positionen zu bringen. Es ging darum, noch Gelder zur Seite zu schaffen, was auch ziemlich offenkundig passiert ist. Und sie haben die Zeit genutzt, um noch neue Richterinnen und Richter einzusetzen."
Martin Adam, ARD-Korrespondent in Warschau, über die Taktik der PiS, den Regierungswechsel zu verzögern

Der Umstand, dass die PiS mit Hilfe des polnischen Präsidenten Andrzej Duda den Regierungswechsel maximal hinausgezögert hat, stellt Tusks neue Regierung vor einige Herausforderungen, meint unser Korrespondent. Denn die PiS habe die vergangenen zwei Monate genutzt, um weitere Tatsachen zu schaffen, etwa neue Richter einzusetzen.

Die wichtige Rolle des polnischen Präsidenten

Schwierig könnte es für Tusks neue pro-europäischen Regierung werden, eigene Gesetze gegen den Willen des polnischen Präsidenten durchzusetzen. Duda steht nach wie vor der PiS-Partei nahe, so Martin Adam, und hat bereits angekündigt, gegebenenfalls von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen.

"Im Moment rechnen viele damit, dass die neue Regierung Wege finden muss, um irgendwie am Präsidenten vorbeizukommen, zumindest bei zentralen Projekten. Weil die wird er sehr wahrscheinlich blockieren."
Martin Adam, ARD-Korrespondent in Warschau

In 2025 wird es in Polen neue Präsidentschaftswahlen geben. Duda kann
dann nicht noch einmal kandidieren. Doch es könne trotzdem sein, dass ein anderer PiS-Kandidat antrete und gewinnt, meint unser Korrespondent.

Tusk will einen neuen politischen Umgang etablieren

Ganz oben auf Tusks Agenda steht die Idee der Versöhnung, erklärt Martin Adam. Es gehe ihm um Respekt und eine neue politische Kultur im Land. "Die letzten acht Jahre der PiS-Regierung waren geprägt von einem sehr harten politischen Umgangston." Das habe zu einer Spaltung im Land geführt. Tusk sei sehr bemüht, eine neue Kultur des "Sich-Zuhörens" zu etablieren. Auch der Umgang mit Deutschland werde sich wieder verbessern, erwartet unser Korrespondent.

Shownotes
Polen
Regierungswechsel nach acht Jahren PiS-Partei
vom 16. Dezember 2023
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Martin Adam, ARD-Korrespondent in Warschau