Seit Martin Schulz Kanzlerkandidat der SPD geworden ist, nimmt die Zahl der Neumitglieder zu. Wir fragen, woher diese Lust aufs politische Engagement kommt und sprechen darüber mit Sebastian Sieg, 17, und seit kurzem SPD-Mitglied.
Sebastian Sieg ist 17 Jahre alt, kommt aus Gütersloh und geht dort zur Schule. In seiner Heimatstadt hat er sich schon länger im Jugendparlament und für Flüchtlinge engagiert. Darum verbindet er mit Politik auch mehr als nur "alte Männer in Anzügen". "Irgendwann habe ich dann gemerkt: Ich unterstütze sozialdemokratische Werte", erzählt er Thilo Jahn im Interview. Nach einem Termin bei der örtlichen SPD hat er sich entschieden, Parteimitglied zu werden. Und das obwohl er in seiner Familie als SPD-Wähler in der Minderheit ist, Sebastians Großvater hat sogar für die CDU im Gütersloher Stadtrat gesessen.
"Ich war schon immer ein bisschen linker eingestellt. Da hat die Sozialdemokratie mich am besten widergespiegelt. Es gibt die größte Schnittmenge zwischen mir und der SPD."
Es gibt auch SPD-Inhalte, von denen er nicht überzeugt ist. Dazu gehört der Ausstieg aus der Kohlekraft, den die SPD erst in den kommenden 20 bis 25 Jahren plant. Zum Vergleich: Die Grünen möchten schon in den nächsten 15 Jahre aus der Kohlekraft aussteigen. Eine weitere Motivation für seinen Parteieintritt war der Rechtsruck in Deutschland, erzählt Sebastian Sieg. "Ich hatte das Gefühl, das hatten wir alles schon mal - allerdings im Geschichtsunterricht. Und dann wollte ich auch ein bisschen was tun."
"Ich wollte öffentlich Farbe bekennen und meinem Umfeld klarmachen, dass man etwas tun muss."
Martin Schulz zieht neue Mitglieder
Sebastian Sieg ist mit seiner Entscheidung nicht alleine. Seit dem 24. Januar 2017, also ungefähr seit bekannt wurde, dass Martin Schulz Kanzlerkandidat wird, hat die SPD etwa 6500 neue Mitglieder gewonnen, rund die Hälfte ist jünger als 35 Jahre. "Die Zahl der Neumitglieder dürfte noch steigen, weil bisher nur die Onlineanmeldungen ausgewertet sind", sagt Gudula Geuther aus dem Deutschlandradio-Hauptstadtstudio. Für die SPD sind die vielen Neumitgliedschaften ein großer Erfolg, insbesondere weil die Partei 2016 etwa 3,7 Prozent ihrer Mitglieder verloren hat. Der Mitgliederschwund hat 2016 nicht nur die SPD sondern auch CDU und FDP betroffen.
Mehr Menschen politisch engagiert
Genau wie die SPD hat auch die CDU im Januar 2017 mehr Neueintritte als sonst verzeichnet, nämlich 1524. Rund 40 Prozent dieser neuen Mitglieder ist unter 35. Auch Grüne und FDP verzeichnen eigenen Aussagen zufolge mehr Neumitgliedschaften, sagt Gudula Geuther.
Die AfD hält sich mit Zahlen bedeckt, sagt Gudula Geuther. "Die AfD sagt, derzeit habe sie rund 27.000 Mitglieder, Tendenz steigend. Täglich verzeichnet die Partei wohl zwischen zehn und 50 neue Mitglieder."
Der Trump-Effekt
Ein Grund für viele Partei-Neumitgliedschaften könnte der sogenannte Trump-Effekt sein, sagt Gudula Geuther. Die Grünen zum Beispiel haben am Tag nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten 114 Anmeldungen von neuen Parteimitgliedern erhalten. "Das ist viel für die Grünen." Die FDP macht in erster Linie die Landtagswahlen und den FDP-Bundesparteitag für viele neue Mitglieder verantwortlich.