Härtere Auseinandersetzungen, stärkere soziale Spannungen: Gründe für Polizeigewalt in Frankreich gibt es viele, sagt Polizeiwissenschaftler Rafael Behr. Eine Gesetzesänderung von 2017 gehört dazu.
Bei einer Polizeikontrolle ist der 17-jährige Nahel M. in Nanterre am 27. Juni von einem Polizisten aus nächster Nähe im Auto erschossen worden. Seitdem gibt es in Frankreich Demonstrationen und gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei – und eine erneute Diskussion um Polizeigewalt.
Härter, aggressiver und gewaltgeneigter
Traditionell seien die Auseinandersetzungen zwischen Staat und Gesellschaft in Frankreich härter, aggressiver und gewaltgeneigter als in Deutschland, sagt Rafael Behr. Er lehrt Kriminologie und Soziologie an der Akademie der Polizei in Hamburg.
"Das ist oftmals ein Ereignis, das lediglich den Funken zum Überspringen bringt. Und dann explodieren ganze Stadtteile."
Die Art, wie Konflikte in Frankreich ausgetragen werden, deute darauf hin, dass auch die sozialen Spannungen in Frankreich zwischen den gesellschaftlichen Schichten stärker seien und härter ausgetragen würden.
Vororte ohne Polizeipräsenz
Ganze Stadtteile seien relativ abgehängt von der Alltagsbetreuung der Polizei. Dort rumore es ständig. "Da fährt die Polizei nur hin, wenn es nicht anders geht und dann in Mannschaftsstärke", sagt Rafael Behr.
Seitens der Polizei führten einige Besonderheiten im Vergleich zu Deutschland zu einer größeren Aggressivität:
- eine aggressivere zentralisierte Organisation
- stärkere Bewaffnung
- größere Nähe zum Militär
- stärkere politische Neigung nach rechts
- sehr reaktive und repressive Ausrichtung gegenüber der Bevölkerung
Defensivere Verhaltensweisen und präventive Maßnahmen seien bei der französischen Polizei insgesamt weniger wichtig.
"Wenn es zum Beispiel um Deeskalation und Prävention geht, sind französische Polizisten nicht so supergut aufgestellt."
Er weist konkret auf eine Gesetzesänderung im Jahr 2017 hin. Sie erlaubt Polizistinnen und Polizisten den Einsatz ihrer Schusswaffen bei Polizeikontrollen, wenn sich die zu kontrollierende Person nicht fügt. Rafael Behr sagt: "Es wäre eine erste Maßnahme, das Gesetz zu ändern, das der Polizei erlaubt, schneller zu schießen als vorher."