In unserer DNA stecken Informationen über unsere Vorfahren. Das Genom wird so zu einem Archiv für Menschheitsgeschichte. Ein Vortrag des Populationsgenetikers Stephan Schiffels.
Die Hälfte unserer DNA erben wir von unserer Mutter, die andere Hälfte von unserem Vater. Da auch unsere Eltern die DNA ihrer Vorfahren in sich tragen und diese an uns weitergegeben haben, finden sich in unserer DNA kleine Schnipsel unserer Vorfahren – sogar von Vorfahren, die vor Tausenden von Jahren gelebt haben.
"Das Genom ist wie ein Archiv unserer Vorfahren. Wir können darin zurückblättern und Menschheitsgeschichte in den Genen lesen."
Stephan Schiffels ist Populationsgenetiker. Er analysiert alte DNA aus Knochenfunden und kann damit Menschheitsgeschichte rekonstruieren. Er kann feststellen, wie Menschen, die vor Tausenden von Jahren gelebt haben, gewandert sind und welche Gruppen sich vermischt haben. Und er kann erklären, wie die Kultur des Ackerbaus nach Europa kam.
Wie kam der Ackerbau nach Europa?
Eines der wichtigsten Ereignisse der Menschheitsgeschichte ist die Transformation von Jägern und Sammlern zur Sesshaftwerdung, also zum Ackerbau und zur Viehzucht. Diese fundamentale Transformation hat auf der ganzen Welt stattgefunden und zwar erst in den letzten 10.000 Jahren, sagt Stephan Schiffels.
"Wir sägen alte Knochen auf, bohren mit einem Zahnarztbohrer in das Innere und bohren ein bisschen Knochenmehl raus."
Archäologen haben herausgefunden, dass diese Transformation in Europa in der Zeit vor 10.000 bis vor 6.000 Jahren stattgefunden hat, erklärt der Populationsgenetiker. Die Frage ist nun: Hat sich hier eine Idee ausgebreitet – oder waren es Menschen, die Ackerbau und Viehzucht schon betrieben, die sich ausgebreitet haben? Die Archäologie allein kann diese Frage nicht beantworten, sagt Stephan Schiffels.
Mithilfe unserer Gene ließe sich jedoch feststellen, dass Menschen, die Ackerbau und Viehzucht betrieben, ab 7.000 vor Christus von der Region des fruchtbaren Halbmonds nach Europa wanderten. Wie das funktioniert, erklärt Stephan Schiffels in seinem Vortrag.
Wir können also mit alter DNA ein Stück weit in der Zeit reisen und viel genauer bestimmen, wann sich zum Beispiel die Begegnung zwischen modernen Menschen und dem Neandertaler ereignet haben.
Stephan Schiffels ist Populationsgenetiker am Max-Plank-Institut für evolutionäre Anthropologie. Seinen Vortrag "Gene und Geschichte. Wie alte DNA unsere bewegte Vergangenheit erzählt" hat er am 20.6.2025 im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaften in Leipzig gehalten.
