Klare, manchmal sogar sehr einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte und Maßnahmen, die das eigene Leben spürbar besser machen – das wünschen sich offenbar immer mehr Menschen in Deutschland. Populisten erwarten sie mit offenen Armen.
Immer mehr Menschen in Deutschland sind anfällig für Populismus. Das zeigt eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung. Begründet wird die Tendenz damit, dass auch die sogenannte gesellschaftliche Mitte immer weniger Vertrauen in etablierte Parteien wie SPD, Grüne, FDP und Union hat.
Dabei war das Vertrauen in die Parteien in Deutschland nie besonders hoch, sagt Politikwissenschaftler Benjamin Höhne und Vertretungsprofessor an der TU Chemnitz (Stand: April 2024). Trotzdem seien die Menschen früher im Großen und Ganzen zufrieden gewesen. Das ändere sich aber immer mehr.
Unzufriedenheit breitet sich aus
Einerseits sind die Menschen immer unzufriedener, erklärt Benjamin Höhne, andererseits ist die "Mainstreaming-Strategie" der Rechten, also der AfD, ziemlich erfolgreich. Denn im Vergleich zu Parteien wie der NPD vermarktet sich die AfD als Partei der Mitte oder sogar als bürgerliche Partei. Die Folge: Populismus und rechte Parolen werden normalisiert.
"Rechtspopulistische Akteure machen es sich einfacher, indem sie sagen, Maßnahmen gegen den Klimawandel brauchen wir nicht. Das ist doch Papperlapapp."
Zudem schafft es die AfD im Gegensatz zu anderen Parteien ein klares Bild davon zu zeichnen, wie Deutschland sein soll. Das sieht man am Beispiel Klimawandel. Die etablierten Parteien sind sich größtenteils einig, dass etwas getan werden muss. Wie und in welchem Ausmaß, darüber aber diskutieren oder streiten sie eher.
Unzufriedenheit ist besonders bei Menschen in strukturschwachen Regionen verbreitet, hat Robert Gold vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel herausgefunden. Zum einen leben dort tendenziell mehr Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind oder insgesamt keine guten Berufsaussichten haben. Zum anderen sind die Menschen in diesen Regionen öfter mit der Lebensqualität unzufrieden. Und das beginnt manchmal bei scheinbar kleinen Themen, wie etwa dass das örtliche Schwimmbad nicht saniert und stattdessen geschlossen wird.
Als Robert Gold Europawahlergebnisse aus strukturschwachen Regionen analysierte, stellte er fest, dass rechtspopulistische Parteien in Regionen, die zuvor wirtschaftlich gefördert worden waren, im Schnitt zwei bis drei Prozentpunkte verloren.
Wie vermittelt man Vielfalt?
Ein weiterer relevanter Faktor für das Erstarken rechtspopulistischer Stimmen sind gesellschaftspolitische Themen. Da geht es ums Gendern, Rechte für queere Menschen, wie viele geflüchtete Menschen Asyl bekommen oder wem welche Sozialleistungen zustehen.
"Maßnahmen in der Regionalpolitik lassen sich relativ leicht umsetzen. Fragen, wie man gegen Angst vor dem Gendern oder den Bedenken hinsichtlich der Immigration vorgeht, sind natürlich sehr viel schwieriger zu beantworten."
Politikwissenschaftler Benjamin Höhne sagt, vor allem CDU und CSU könnten etwas gegen das Erstarken von Rechtspopulismus tun. Doch nicht, wenn sie populistischen Argumente übernehmen. Denn Wähler*innen würden ihr Kreuz eher beim Original machen, also bei der Partei, die die Argumente als erste gebracht hat.