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Wenn Lea eine Aufgabe erledigen soll, auf die sie keinen Bock hat, prokrastiniert sie auch mal. Warum wir manche Aufgaben lieber aufschieben, hat unterschiedliche Gründe. Es gibt Methoden, mit denen wir das Prokrastinieren überwinden können.

Lea hatte etwas Freudentränen in ihren Augen, als sie ihre Bachelorarbeit abgegeben hat. Der Druck der vergangenen Monate ist in dem Moment abgefallen.

Die Abgabe hat sich immer weiter nach hinten verschoben, weil Lea manchmal dann doch lieber etwas anders gemacht hat, als sich an den Schreibtisch zu setzen: Da war der Herd, der sauber gemacht werden muss, oder die Fenster, die auch mal geputzt werden sollten. Für ihre Bachelorarbeit war immer noch morgen Zeit. Lea hat prokrastiniert.

"Prokrastination war sowohl in der Schule als auch in der Uni voll das Ding, weil man mit Aufgaben konfrontiert wird, auf die man manchmal nicht so Lust hat, aber machen muss."
Lea, hat während ihrer Bachelorarbeit prokrastiniert

"Ich würde es aber als eine produktive Prokrastination bezeichnen", sagt sie. Das heißt: Lea hängt beim Aufschieben schon auch mal die ein oder andere Stunde auf Social Media ab. Aber wenn sie etwas im Haushalt erledigt, hat sie ein weniger schlechtes Gewissen, sich nicht um die eigentlichen To-dos zu kümmern. Weil sie in dem Fall zwar prokrastiniert, aber trotzdem produktiv ist – nur eben in einem anderen Bereich.

Ursachen für Prokrastination

Warum wir bestimmte Aufgaben verschieben und andere nicht, das wollen auch Forschende besser verstehen. Eine von ihnen ist Sahiti Chebolu. Sie ist Doktorandin am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik. Dort erstellt sie mathematische Modelle, mit denen sie Verhaltensweisen untersuchen und ziemlich genau voraussagen kann, wie wir in einer bestimmten Situation unter bestimmten Bedingungen wahrscheinlich handeln.

Aufgaben zu verschieben, ist etwas Menschliches, sagt sie. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Einer könne sofortige Belohnung sein. Das bedeutet: Wir wollen jetzt in diesem Moment ein Belohnungsgefühl haben und nicht erst irgendwann in der Zukunft. In dem Fall entscheiden wir uns zum Beispiel für das Scrollen auf Social Media statt für die Bachelorarbeit.

"Es ist ganz natürlich, Aufgaben zu verschieben. Wir können nicht alles gleichzeitig machen – es gehört zu unserem Alltag dazu."
Sahiti Chebolu, Doktorandin, Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik

Wir können auch prokrastinieren, weil wir die Aufgabe unterschätzen. "Etwas jetzt zu tun, fühlt sich nach mehr Arbeit an, als es später zu machen. Wir haben ja noch Zeit, denken wir, jetzt gerade im Moment gibt es Wichtigeres zu tun", erklärt Sahiti Chebolu.

Prokrastination sei zudem etwas, was unsere Gesellschaft fördert. Dabei geht es um die Leistungsgesellschaft, in der wir leben. Wir bewerten und legen den Fokus auf unsere Erfolge. Diese Haltung kann uns auch blockieren. Wir haben zum Beispiel Angst, einen Fehler zu machen oder bewertet zu werden und schieben To-dos dann lieber auf.

Es gibt innere und äußere Faktoren, die Prokrastination beeinflussen, so die Forscherin. Die mentale Gesundheit und unsere Persönlichkeit spielen dabei beispielsweise auch eine Rolle.

Prokrastination überwinden

Was bei Prokrastination helfen kann, weiß Brigitte Reysen-Kostudis. Sie ist Diplom-Psychologin, approbierte Psychotherapeutin und unterstützt Studierende in der Psychologischen Beratung der Freien Universität Berlin. Wenn Studis zu ihr kommen, weil sie zum Aufschieben neigen, stellt sie ihnen oft eine bestimmte Frage: "In welchen Situationen oder bei welchen Aufgaben schiebst du nicht auf?"

Bei der Frage geht es um einen Perspektivwechsel. Also darum, sich bewusst zu machen, dass Selbstdisziplin eine Fähigkeit ist, die man hat. Ein Beispiel: Lea schiebt zwar ihre Bachelorarbeit auf, aber ihre Aufgaben im Haushalt zieht sie durch, weil sie in ihrer Wohnung regelmäßig für Sauberkeit sorgt. Grundsätzlich hat sie Selbstdisziplin also drauf.

Mini-Schritte gehen und Erfolge feiern

Dann kann es helfen, mit kleinen Schritten zu arbeiten, so Brigitte Reysen-Kostudis. Dafür können wir uns zum Beispiel Tagesziele setzen und so über den Tag verteilt kleine Erfolge feiern. Statt an das große Projekt "Bachelorarbeit schreiben" zu denken, können wir uns erst mal darüber klar werden, welche kleineren Aufgaben dafür nötig sind und wann wir die erledigen können.

Zum Beispiel: Zwei Mal die Woche gibt es einen Slot für Zeit, um in der Bibliothek nach Literatur zu recherchieren, und jeden Tag widmen wir uns einer Stunde der Bachelorarbeit und lesen etwa einen Text. Je konkreter die Aufgabe, desto besser.

"Prokrastinierer sind oft perfekte Plan-Ersteller. Die haben einen super Plan, aber die Umsetzung ist das Schwierige."
Brigitte Reysen-Kostudis, Psychologische Beratung Freie Universität Berlin

Dabei hilft es, das To-do mit einer positiven Aussicht zu verbinden, erklärt Brigitte Reysen-Kostudis, einer Belohnung. Es gehe darum, die Aufgabe mit einem Gefühl des Wohlbefindens in Verbindung zu bringen und davon wegzukommen, sie als Verpflichtung wahrzunehmen.

Was guttut: Am Ende des Tages noch mal darauf zu schauen, was wir geschafft haben. Der Text ist gelesen, das Kapitel zu Ende geschrieben, die Wohnung ist durch gesaugt und die Bücherliste für den nächsten Bib-Besuch ist auch fertig. Das sind alles Erfolge, für die wir feiern und zum Beispiel in einer Habit-Tracker-App abhaken können. Diese Mini-To-dos können helfen, ins Machen zu kommen und sich Schritt für Schritt dem großen Ganzen zu nähern.

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Shownotes
Aufräumen statt Anfangen
Prokrastinieren: Sich belohnen kann helfen
vom 25. Juli 2025
Gesprächspartnerin: 
Lea, hat prokrastiniert während ihrer Bachelorarbeit
Gesprächspartnerin: 
Brigitte Reysen-Kostudis, Diplom-Psychologin, approbierte Psychotherapeutin, Psychologische Beratung Freie Universität Berlin
Gesprächspartnerin: 
Sahiti Chebolu, Doktorandin, Alumni of the Department High-Field Magnetic Resonance, Department Computational Neuroscience, Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik
Autorin und Host: 
Shalin Rogall
Redaktion: 
Neneh Sanneh, Betti Brecke, Sarah Brendel, Friederike Seeger
Produktion: 
Christiane Neumann, Stefan Stiebitz