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Die Klimakrise kann in Menschen Angst vor den akuten Folgen oder der Zukunft auslösen. Diese Emotion sei erst einmal eine normale Reaktion, sagt Psychotherapeutin Katharina van Bronswijk. Sie weist aber auch auf ein dahinterliegendes Bedürfnis hin.

"Grundsätzlich ist Klimaangst keine Diagnose oder behandlungsbedürftig", sagt Katharina van Bronswijk. Sie ist nicht nur Psychotherapeutin, sondern auch eine der Sprecher*innen der Psychologists for Future. "Denn Angst ist eine normale Reaktion auf eine bedrohliche Lage. Diese Klimagefühle zeigen: Achtung, hier geht gerade richtig etwas schief und wir müssen dringend etwas tun." Um die Emotionen in den Griff zu kriegen, sei die Unterscheidung zwischen der eigentlichen Emotion und dem Umgang damit wichtig.

"Wir leben in einem Lebenskontext, der es uns unmöglich macht, klimaneutral zu sein."
Katharina van Bronswijk, Psychotherapeutin

"Viele Menschen in unserer Gesellschaft haben nicht gelernt, gut mit
ihren Emotionen umzugehen", sagt die Psychotherapeutin. Wenn wir Gefühle
zulassen würden, würden diese nach einer gewissen Zeit auch wieder
abebben, egal ob es sich um Angst, Wut oder Trauer handelt. Wichtig sei zu verstehen, worauf die Gefühle verweisen würden.

Mit Gefühlen auseinandersetzen und Bedrüfnisse erkennen

"Gefühle sind Bedürfnis-Anzeiger, die dafür sorgen, dass wir uns um diese Bedürfnisse kümmern." Solche Bedürfnisse können eben auch der Wunsch nach einer nachhaltigen Gesellschaft oder einer intakten Umwelt sein. Diese würden uns aber erst bewusst werden, wenn wir uns mit unseren Gefühlen auseinandersetzen würden. Weniger gut sei es, wenn man kaum mehr Emotionen spüren würde, weil man sie nicht zulasse, etwa durch exzessives Arbeiten.

"Aktivismus kann exzessiv werden und der Emotions-Vermeidung dienen."
Katharina van Bronswijk, Psychotherapeutin

Es gebe viele Emotionen, die im Zusammenhang mit der Klimakrise auftauchen würden, nicht nur Angst. "Schuld und Scham gehören auch dazu, weil ich früher vielleicht etwas gemacht habe, was ich heute so nicht mehr mache." Zum Beispiel regelmäßig ins Flugzeug zu steigen oder jeden Weg mit dem Auto zu fahren.

"Es ist okay, aus ethischen Gründen keine Flugreise mehr zu machen und zu sagen: Aber das macht mich traurig, weil ich diese Reise sehr gerne gemacht hätte", sagt die Psychologin. Wichtig sei es dann, auf die schönen Sachen sich zu fokussieren, die es im eigenen Umfeld gebe. So könnten trotzdem gute Momente und Erfahrungen entstehen.

Wie die Klimakrise sich auf uns auswirkt

Welche Auswirkungen die Klimakrise auf uns hat, und wie wir diesen Herausforderungen begegnen können, das hat Katharina van Bronswijk in einem Buch "Klima im Kopf. Angst, Wut, Hoffnung: Was die ökologische Krise mit uns macht" aufgeschrieben.

"Trauer und Wut sind weit verbreitete Gefühle in Bezug auf die globalen Krisen. Die Empörung darüber, was alles schief geht, was Politik und Wirtschaft teilweise veranstalten."

"Wir brauchen systemische Veränderungen, individuelle Lösungen reichen nicht."
Katharina van Bronswijk, Psychotherapeutin

Aus diesen Emotionen könne dann auch Energie für die gesellschaftliche Transformation gewonnen werden. Dabei könne natürlich jede*r etwas tun, um den eigenen Lebenswandel nachhaltiger zu gestalten. "Aber es ist auch gesund zu erkennen: Ich werde nicht allein die Welt retten und bin nicht für alles verantwortlich. Es wird Dinge geben, die werden wir nicht schaffen", sagt Katharina van Bronswijk.

Tipping Points der gesellschaftlichen Transformation

Das könne man bedauern, aber trotzdem zu Lösungen beitragen. Ihr würde vor allem Kraft geben, dass es möglich sei, strukturelle und gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen, wenn eine kritische Masse an Menschen sich dafür einsetzen würde. Tipping Points nennt man diese Momente auch, wenn sich Werte in einer Gesellschaft wirklich wandeln. Deswegen sei es wichtig, sich im Kollektiv zu engagieren.

"Kollektive Selbstwirksamkeit ist das Gegengift gegen Klimaangst."
Katharina van Bronswijk, Psychotherapeutin

Im Deep Talk spricht Katharina van Bronswijk mit Sven Preger über die emotionalen Folgen der Klimakrise, über den Umgang mit Emotionen und über ihren Wohlfühlort. Das ganze Gespräch hört ihr, wenn ihr einfach oben auf den Play-Button klickt.

Wir freuen uns über eure Mails an mail@deutschlandfunknova.de

Empfehlungen aus dem Beitrag:
  • Katharina van Bronswijk: "Klima im Kopf. Angst, Wut, Hoffnung: Was die ökologische Krise mit uns macht", erschienen 2022 im Oekom-Verlag
Shownotes
Psychotherapeutin Katharina van Bronswijk
"Trauer und Wut sind als Klimagefühle unterschätzt"
vom 14. September 2022
Moderator: 
Sven Preger
Gesprächspartnerin: 
Katharina van Bronswijk, Psychotherapeutin und Sprecherinnen der Psychologists for Future
Die Quellen: