Eines der größten Komplimente ist für den Regisseur und Autor Florian Gottschick ist, wenn Leser oder Zuschauer ihm sagen, dass seine Geschichten nachhallen.

Mit seinem Diplomfilm "Nachthelle" hat Regisseur Florian Gottschick mit klassischen Erzählstrukturen des Films gebrochen. Das wurde mit vielen Nominierungen und Auszeichnungen, Screenings auf Filmfesten und der Aufmerksamkeit der Filmindustrie belohnt.

Zwei Jahre später führte er 2016 Regie bei seinem wohl bisher bekanntesten Werk: der Verfilmung der Autobiografie "Fucking Berlin" von Sonia Rossi. Der Film erzählt die Geschichte der Mathematikstudentin, die mit Sexarbeit ihr Studium finanziert.

"Mein Film "Nachthelle" folgt erst mal normalen Erzählstrukturen, bis er dann in der Mitte völlig auseinanderbricht und in den Zeiten springt. Das war ein Experiment, was mich dann letztendlich auch auf den Markt geworfen hat."
Florian Gottschick, Regisseur und Autor

Sowohl die Filmrechte für seinen ersten Roman "Henry" als auch sein zweites Buch "Damals im Sommer" hat Florian Gottschick verkaufen können. Beim Schreiben komme ihm zugute, dass er von Haus aus Filmdramaturg ist, sagt er. Das führt dazu, dass er auch in seinen Erzählungen sehr bildstark arbeitet.

"Mir erzählen Leser*innen, dass die Geschichte weitergeht, wenn sie das Buch schon längst ausgelesen haben. Jemand sagte mal: 'Es hallt nach.'"
Florian Gottschick, Regisseur und Autor

Bei der Verfilmung seines in Teilen autobiografischen Romans "Damals im Sommer" wird er Regie führen. Ein absolutes Herzensprojekt für ihn. Obwohl Florian Gottschickt auch Drehbücher schreibt, wollte er es in diesem Fall nicht tun, weil diese Geschichte in Teilen sehr nah an ihm dran ist.

"In diesem Fall bin ich auf ein Drehbuchgenie angewiesen", sagt Florian. Damit meint er einen Drehbuchautoren, der dem Kern der Geschichte treu bleibt, aber zugleich eine filmgerechte Dramaturgie für den ausführlichen Romanstoff finden kann.

"Wenn man das Glück hat, seine Herzensgeschichte verfilmen zu dürfen, dann ist das etwas ungemein Schönes und Liebevolles."
Florian Gottschick, Regisseur und Autor

Serien seien ein Geschenk, weil sie mehr Raum für die Entwicklung der Charaktere, Beziehungen und Konflikte bieten. Als Filmemacher verflucht er Serien zugleich aber auch ein wenig, weil es so viel zeitaufwendiger ist, sie herzustellen.

"Man muss so viel seines Lebens investieren, um eine Serie herzustellen, da dürstet es mich ab und zu immer wieder nach einem schönen, wunderbaren, spannenden, mitreißenden 90-Minüter, den man in 20 bis 30 Drehtagen erzählt hat", sagt der Filmemacher.

"Der Filmdramaturg in mir sagt, du darfst die Figurenbögen nicht zu Ende erzählen. Also, du musst im Grunde in der Spannungskurve der Figur kurz vor dem Ende einen Cut machen."
Florian Gottschick, Regisseur und Autor

In seine Stoffe baut er gerne Twists ein und erzählt nicht jeden Spannungsbogen zu Ende oder öffnet kurz vor dem Ende einer Geschichte eine neue Tür. Sein Erfolgsrezept: Man müsse in einem befriedigenden Maße zu Ende erzählen und dennoch die Sehnsüchte der Leser*innen oder Zuschauer*innen nicht befriedigen.

Denn während des Lesens oder Schauens erhielten sie das Handwerkszeug, die Geschichte selbst weiterzudenken, sagt Florian Gottschick. Das führt dann möglicherweise zu diesem Effekt, dass die Geschichten nachhallen, selbst wenn man das Buch schon längst weggelegt hat, wie ihm Leser*innen schreiben.

Einer seiner aktuelleren Filme aus dem Jahr 2021 trägt den Titel "Du Sie Er & Wir" und ist auf Netflix verfügbar.

"Als Filmregisseur in Deutschland ist man mitunter leidgeprüft, weil man doch auch sehr viele Krimis verfilmen muss. Wenn es nicht Krimis sind, dann sind es Arztserien. Man muss ja auch seine Miete zahlen. Das macht aber auch einen Heidenspaß."
Florian Gottschick, Regisseur und Autor
Shownotes
Regisseur Florian Gottschick
"Serien sind ein Geschenk, aber als Filmemacher verfluche ich sie auch"
vom 09. Juli 2023
Moderation: 
Sebastian Sonntag
Gesprächspartner: 
Florian Gottschick, Regisseur und Autor