Batterien und Akkus sind die Helferlein, die unser digitalisiertes, elektrifiziertes Leben ermöglichen. Wir nutzen sie, meist ohne sie zu sehen. Wir bemerken sie meist erst, wenn sie leer sind oder defekt. Medienwissenschaftler und Kulturwissenschaftlerinnen wie Florian Sprenger, Yvonne Volkart und Stefan Rieger denken im Hörsaal über diese mobilen Energiespeicher nach.

OMG! Akku leer! Keine Powerbank dabei und kein Ladekabel! Es beschleicht uns ein ungutes Gefühl - und das hat einen Namen: Reichweitenangst. Die Angst, dass unseren Endgeräten der Saft ausgeht. Batterien und Akkus sollen das verhindern und uns unabhängig machen von der fest verbauten Infrastruktur. Tun sie auch – und lassen uns dabei gleichzeitig genau diese Abhängigkeit deutlich spüren.

Medienhistoriker Stefan Rieger stellt in seinem Vortrag fest, dass westliches Design die Tendenz hat, Infrastrukturen zum Verschwinden zu bringen. Rieger erzählt von den Anfängen der Batterie und dessen Erfinder Physiker Alessandro Volta, der sie weniger als technisches Gerät betrachtete, sondern als eine Art der lebendigen Natur nachempfundenes Organ. Sein Vorbild: Zitteraal und Zitterrochen - Tiere, die elektrische Schläge austeilen können.

"Diesen Apparat (...) möchte ich ein künstliches elektrisches Organ nennen."
Alessandro Volta, italienischer Physiker und Erfinder der Batterie (1745 - 1827)

Medienwissenschaftler Florian Sprenger spricht über die Batterie als Medium der Medien. Dieses Medium sei zeitkritisch und ambivalent, die gespeicherte Energie definiere den Radius der Bewegung. Er beschreibt unseren Umgang mit Akkus als ein Wechselspiel von Ermächtigung und Ohnmacht. Im zweiten Teil seines Vortrages geht es um die enorme Bedeutung, die Smartphones und Akkus unter Migranten haben.

"Mobilität bedeutet heute nicht nur für westliche Gesellschaften, sich mit Akkus an Infrastrukturen entlangzuhangeln."
Florian Sprenger, Medienkulturwissenschaftler an der Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Nach Yvonne Volkart ist es nicht unwahrscheinlich, dass in den Akkus unserer Smartphones Atome von Pfeilspitzen aus der Bronzezeit enthalten sind. Volkart lehrt an der Fachhochschule Nordwestschweiz und hat sich eingehend mit den Seltenen Erden beschäftigt, die wir in unseren Handys spazieren tragen - etwa mit Neodym. Wo und wie wird der Stoff abgebaut? Und was passiert mit dem Müll, der nicht erst nach Ende der Nutzungsdauer eines Smartphones anfällt? Zusammen mit einem interdisziplinären Team hat Volkart jede Menge Informationen zu Tage gefördert und auf ihrer Seite "Times of Waste" veröffentlicht. In ihrem Vortrag geht sie auch auf die Arbeiten der Künstlergruppe Unknown Fields Division ein.

"Gerade so verklebte Geräte wie Smartphones werden in der Schweiz nur geschreddert. Da wird alles miteinander geschreddert."
Yvonne Volkart, Dozentin an der Hochschule für Gestaltung und Kunst, Basel

Die Vorträge dieser Sendung stammen von der Tagung "Reichweitenangst. Batterien und Akkus als Medien des Digitalen Zeitalters", die vom 25. - 26. Januar 2019 an der Leuphana Universität Lüneburg stattgefunden hat. Florian Sprengers Vortrag trug den Titel "Infrastrukturen der Un-/Abhängigkeit – Akkus, Autonomie und Agency", Yvonne Volkart sprach zu "AbfallMaschinen. Oder die Reichweitenangst ethisch-ästhetisch gewendet". Stefan Rieger hat unter dem Titel "Voltas Mimesis. Epistemologie und Ästhetik der Batterie" vorgetragen.

Shownotes
Reichweitenangst
Die Angst, dass uns der Saft ausgeht
vom 13. April 2019
Moderatorin: 
Katja Weber
Vortragende: 
Florian Sprenger, Medienkulturwissenschaftler, Goethe-Universität Frankfurt am Main | Yvonne Volkart, Dozentin und Kuratorin, Fachhochschule Nordwestschweiz | Stefan Rieger, Medien- und Kommunikationstheoretiker, Ruhr-Universität Bochum