Die Zeit der gewaltsamen Rockerkriege ist vorbei, es ist stiller geworden um Rockerbanden wie Hells Angels oder Bandidos. Das Problem ist aber längst nicht gelöst. Die Rockerszene ist diffuser geworden und dadurch möglicherweise gefährlicher, befürchtet der Journalist Jörg Diehl. Nur wenige kennen die Szene so gut wie er.
Zwar sind sie öffentlich nicht mehr so präsent wie früher, Rockerbanden wie Hells Angels oder Bandidos spielen aber immer noch eine wichtige Rolle im kriminellen Milieu. Vor allem in den Jahren der gewalttätigsten Auseinandersetzungen, etwa zwischen 2007 und 2013, ist die Szene extrem gewachsen, erzählt Jörg Diehl im Interview (das ihr am besten komplett hört - oben auf den Playbutton klicken). Er ist Chefreporter bei Spiegel Online und hat jahrelang zu Rockerbanden recherchiert.
Die Rockerszene ist extrem gewachsen
Damals haben die Outlaw Motorcycle Gangs, wie sie in der internationalen Strafverfolgung genannt werden, viele "gewaltfähige" junge Männer rekrutiert, um gegeneinander aufzurüsten, sagt Diehl. Der Krieg scheint abgeklungen
Derzeit herrsche eine Art Burgfrieden zwischen den größten Clubs, den Hells Angels und den Bandidos, der halbwegs halte. Das läge aber wohl eher daran, dass sie im Moment an einem Strang ziehen, erklärt Diehl:
Seit letztem Jahr dürfen Rocker in Deutschland ihre Club-Abzeichen nicht mehr tragen. Anfang des Jahres haben sie vor dem Verfassungsgericht gegen das Kuttenverbot geklagt.
"Diese Rockerclubs sind spießiger als jeder Taubenzüchterverein. Sie haben Regeln noch und nöcher, sie haben strenge Hierarchien, sie sind eine Diktatur, keine Demokratie."
Die Clubs haben sich verändert, meint Diehl: Die jungen Mitglieder hätten mit den Traditionen und Idealen der älteren nicht mehr viel am Hut - Motorradfahren und Freiheitsgedanke seien für sie nicht mehr so wichtig. Sie suchten eher eine starke Marke im Rücken.
Was viele junge Männer anziehe, so Diehl, sei das Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein, stärker als allein. Und: Dass es bei ihren illegalen Geschäften helfe – üblicherweise verdienten die Mitglieder in irgendeiner Weise mit ihrer Gewaltbereitschaft Geld.
Mitgliedschaft in Rockerbanden sollte strafbar sein
Insgesamt, so Diehl, habe die Polizeistrategie der vergangenen Jahre schon gewirkt. Es sei richtig gewesen, Härte zu zeigen, Vereine zu verbieten und das öffentliche Schaulaufen zu unterbinden: "Es hat die Szene verunsichert, in Aufruhr versetzt, auch geschwächt." Aber: "Auf der anderen Seite hat es, glaube ich, keinen Rocker dazu gebracht, seine Kutte an den Nagel zu hängen."
Die Maßnahmen gegen die Rockerbanden hält er nicht für ausreichend: "Was mir gefehlt hat, und was es bis heute eigentlich nicht gibt ist, dass man gegen die Clubs vorgeht, so ähnlich wie die italienische Polizei das mit der Mafia macht: dass es eine Straftat ist, diesen Clubs anzugehören, weil sie als kriminelle Vereinigungen gelten."
Das würde die Szene tiefer erschüttern als nur einzelne Rocker wegen einzelner Straftaten zu verfolgen und ihre Vereine vereinsrechtlich zu verbieten, wie es im Moment gemacht werde.
"Mein Gefühl ist eher, es wird diffuser und es wird gerade deswegen eigentlich gefährlicher. Auch weil es der Polizei schwer fällt, die Interessen nachzuvollziehen, wer eigentlich mit wem im Klinsch liegt und warum."
Es sei schwer zu sagen, ob die Banden heute weniger gefährlich sind als früher. Jörg Diehl befürchtet eher das Gegenteil: Dadurch, dass die Gruppen zerfaserter seien, meint der Journalist, seien sie eigentlich noch gefährlicher, weil sie schwerer einzuschätzen sind.