400.000 Rohingyas sind aus Myanmar auf der Flucht. Im Nachbarland Bangladesch berichten sie von den Gräueltaten. Friedensnobelpreisträgerin Aung Suu Kyi unternimmt nichts, nur das Militär könnte für ein Ende der Gewalt sorgen.

Mittlerweile sind 400.000 Rohingyas aus Myanmar auf der Flucht. Sie versuchen sich ins Nachbarland Bangladesch zu retten. Dort berichten sie von den Gräueltaten: Sie flüchten vor Vergewaltigung und Mord. Kinder sollen ins Feuer geworfen worden sein, sagt unsere Korrespondentin Lena Bodewein.

"Es sind wirklich entsetzliche Geschichten. Man sieht das Grauen, das in die Gesichter dieser Menschen geschrieben ist."
Lena Bodewein, ARD-Korrespondentin

Satellitenbilder zeigen brennende Dörfer in Myanmar; im Rakhaing-Staat, wo die Rohingyas mehrheitlich leben. Nun sind sie auf der Flucht. "Die Dörfer sind weg. Nur noch kokelnde Ruinen", sagt Bodewein.

Rohingyas auf der Flucht.
© ZUMA Press | Imago
Die Rohingyas suchen im Nachbarland Bangladesch Rettung. Doch das Land erholt sich gerade von den Folgen massiver Überschwemmungen.

Myanmar wiederum bestreitet die Vorwürfe. Das Militär sagt, es bekämpfe Terroristen. Die Rohingyas würden ihre Dörfer selbst anzünden, um das Mitleid der Welt zu erregen. Dem stehen die Berichte der vielen Flüchtlinge entgegen, die Geschichten von Gewalt erzählen. "Da sollte etwas Wahres dran sein", sagt Bodewein.

Tatsächlich haben Rohingya-Rebellen vor rund drei Wochen Polizeiposten überfallen und Sicherheitskräfte getötet. Diesen Vorfall hat das Militär zum Anlass genommen, zurückzuschlagen - mit aller Gewalt. Ende August hatten die Vereinten Nationen einen Bericht veröffentlicht. Darin war die permanente Benachteiligung der Rohingyas kritisiert worden. Anschließend eskalierte die Gewalt.

Warum schweigt Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi?

Die faktische Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi schweigt bislang zur Gewalt in ihrem Land. Die internationale Gemeinschaft fordert sie auf, sich gegen die Gewalt zu stellen. Doch Suu Kyis Einfluss ist begrenzt. Sie ist vom Militär geduldet, sagt Lena Bodewein.

Myanmar war lange Zeit eine Militärdiktatur, Suu Kyi war bis 2010 im Hausarrest. Myanmar steckt mittendrin im Übergang zur Demokratie - und das Militär hat sich seinen Einfluss gesichert. Unter anderem hat es die alleinige Verantwortung über die Verteidigung nach außen und nach innen. 

"Das Militär ist eigentlich in der Verantwortung. Der Armee-Chef könnte einen Befehl geben. Dann wäre die Gewalt zu Ende."
Lena Bodewein, ARD-Korrespondentin

Suu Kyi muss vorsichtig taktieren. Eine zu heftige Kritik des Militärs könnte Folgen haben: Denn per Verfassung hat das Militär die Möglichkeit, die Regierung abzusetzen und zu einer Militärdiktatur zurückzukehren. Deshalb versucht die faktische Regierungschefin eine langsame und vorsichtige Kursänderung für Myanmar zu gestalten. Das könnte eine Lösung sein, sagt Lena Bodewein. Doch für die Rohingyas könnte solch eine langsame Reform zu lange dauern.

"Das ist eine humanitäre Katastrophe. Eine Katastrophe in der Katastrophe."
Lena Bodewein, ARD-Korrespondentin

Jetzt bleibt vielen nur die Flucht über die Grenze nach Bangladesch. Doch das Nachbarland hat noch mit den Folgen massiver Überschwemmungen zu kämpfen, und es ist selbst von Armut betroffen. Für die Rohingyas gibt es meist nur provisorische Unterkünfte.

Es fehlt an Essen, frischem Wasser und medizinischer Versorgung. Viele muslimische Länder spenden, wie zum Beispiel Malaysia, Indonesien oder auch die Türkei. Doch bis die Hilfsleistungen alle verteilt sind, ist es für manche Menschen schon zu spät, sagt Bodewein.

In der Redaktionskonferenz sprach der Ostasienwissenschaftler Hans-Bernd Zöllner über die Lage der Rohingyas.

Shownotes
Rohingyas fliehen vor Gewalt
Myanmar: Nur das Militär kann die Gewalt beenden
vom 15. September 2017
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Lena Bodewein, ARD-Korrespondentin