Nach dem Zweiten Weltkrieg verblieben viele Menschen mit nationalsozialistischer Gesinnung in ihren Positionen, auch in den Universitäten. Die 68er-Bewegung wollte die Gesellschaft modernisieren – Rudi Dutschke führte die Studierenden an und polarisierte dadurch.

Es ist der 11. April 1968. Gründonnerstag. In Berlin herrscht reges Treiben vor dem langen Osterwochenende. Gleichzeitig demonstrieren tausende Studierende gegen die Springer-Presse. Das Verlagshaus, das auch die Bild-Zeitung herausgibt. Denn Tag für Tag hetzt das Blatt gegen die Studierenden und ihren Protest.

Studierende gegen Konservatismus und Totschweigen der NS-Vergangenheit

Die Studierenden protestieren gegen den Vietnamkrieg. Sie wenden sich auch gegen das verknöcherte Hochschulsystem und gegen das Schweigen ihrer Eltern, die einer Auseinandersetzung mit dem Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg aus dem Weg gehen.

Die Studentenbewegung ist der bürgerlichen Gesellschaft ein Dorn im Auge. Insbesondere ihr intellektueller Anführer Rudi Dutschke erregt die Gemüter: sowohl in den Redaktionsbüros der Bild-Zeitung als auch in vielen deutschen Wohnstuben.

Der Studentenführer Rudi Dutschke spricht am 6. Dezember 1967 in Köln zu über 1000 Studenten.
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Der Studentenführer Rudi Dutschke spricht am 6. Dezember 1967 in Köln zu über 1.000 Studierenden.
"Rudi Dutschke wuchs in einem sehr protestantischen Umfeld auf. Wenn man Dutschke betrachtet, sieht man den protestantischen Ethos, den er vertrat, und der ließ tatsächlich kein Auseinanderfallen von Reden und Handeln zu. Und das machte ihn so ganz speziell glaubwürdig.
Michaela Karl, Dutschke-Biografin und Politikwissenschaftlerin

Am 11. April schießt dann der Hilfsarbeiter Josef Bachmann auf dem Kurfürstendamm auf Rudi Dutschke. Ein Reporter berichtet vom Ort des Geschehens. Die beiden Schuhe Dutschkes liegen auf dem Bürgersteig, eine Blutlache breitet sich aus, das Fahrrad liegt genau an der Stelle, an der er gestürzt ist: "Es ist einfach schrecklich anzusehen."

Josef Bachmann, der eine Neo-Nazi-Schrift mit dem Titel "Stoppt Dutschke" in der Tasche hat, wird festgenommen und zu sieben Jahren Haft verurteilt. Er nimmt sich in seiner Zelle später das Leben.

Rudi Dutschke überlebt das Attentat. Er ist anschließend schwerbehindert, muss neu laufen und sprechen lernen. 11 Jahre später, an Weihnachten 1979 erleidet er einen tödlichen epileptischen Anfall – eine Spätfolge des Attentats vom 11. April 1968.

Ihr hört in Eine Stunde History:

  • Die Dutschke-Biografin Michaela Karl über das Leben von Rudi Dutschke
  • Der Journalist Carsten Prien hat sich wissenschaftlich mit der Ideologie Dutschkes und dem "Dutschkismus" beschäftigt
  • Die Londoner Historikerin Christina von Hodenberg erläutert die Bedeutung der "68er" für die moderne Bundesrepublik
  • Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld erläutert die Herkunft Rudi Dutschkes aus einem kleinen Ort in der damaligen DDR
  • Deutschlandfunk-Nova-Reporter Matthis Jungblut erinnert an das Attentat vom 11. April 1968
Shownotes
Rudi Dutschke
Attentat auf einen Studentenführer
vom 07. April 2023
Moderation: 
Markus Dichmann
Gesprächspartner: 
Matthias von Hellfeld, Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte