Jelena Grigorjewa, eine Aktivistin der LGBTQ-Community wurde vor einigen Wochen in Sankt Petersburg erstochen. Zuvor stand ihr Name auf einer Todesliste. Bisher konnte kein Zusammenhang nachgewiesen werden. Allerdings hat die Polizei erst auf Druck der LGBTQ-Community angefangen zu untersuchen, ob Hass als Motiv infrage kommt.
Thielko Grieß, Deutschlandfunk-Korrespondent in Russland, sagt, dass Mitglieder der LGBTQ-Community in der Regel nicht angegriffen werden. Normalerweise sprechen Menschen der LGBTQ-Community erst gar nicht über ihre sexuelle Orientierung, das geschehe alles nur hinter verschlossenen Türen. Zum einen wurde 2013 ein Gesetz eingeführt, das Jugendliche angeblich vor sogenannter Homosexuellen-Propaganda schützen soll. Dieses Gesetz verbietet es, in der Öffentlichkeit beispielsweise über Homosexualität zu sprechen. Zum anderen verschweigen Menschen der LGBTQ-Community auch ihre Neigung oder Veranlagung ganz von alleine, um sich weiterhin alle gesellschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten offen zu halten, so unser Korrespondent.
Mindestens seit es dieses Gesetz gibt, sei auch eine Verschlechterung des gesellschaftlichen Klimas zu beobachten. Thielkos Einschätzung nach markiert der Mord an der LGBTQ-Aktivistin Jelena Grigorjewa, die vor einigen Wochen in Sankt Petersburg erstochen wurde, einen Tiefpunkt.
"Dass sich das gesellschaftliche Klima verschlechtert, das geht schon seit einer ganzen Weile so. Mindestens seit 2013, da ist ein Gesetz eingeführt worden, das sollte junge Menschen angeblich vor sogenannter Homosexuellen-Propaganda schützen. De facto ist es in der Öffentlichkeit verboten, über Homosexualität zu sprechen."
Dass ihr Name auf einer Todesliste im Netz stand, kommt bei Aktivisten nicht selten vor und scheint die Aktivistin auch nicht weiter beunruhigt zu haben. Laut Nachrichtenagentur AFP soll sie auf Facebook einen Screenshot der Liste gepostet und geschrieben haben: "Das ist nur eine Drohung." Nur drei Wochen später wurde sie erstochen.
Auch Igor Kochetkov, der Vorsitzende des russischen LGBTQ-Netzwerks, das seinen Sitz in Sankt Petersburg hat, lässt sich von solchen Todeslisten nicht verunsichern. In den zehn Jahren, in denen er sich für die Rechte der LGBTQ-Community eingesetzt hat, tauchte sein Name schon auf mehreren Listen auf.
"Ich kann nicht sagen, dass ich mich sehr erschrocken habe, weil ich mich schon seit zehn Jahren mit Menschenrechtsarbeit beschäftige und seither auf verschiedene Liste gesetzt worden bin."
Die Polizei muss dazu gedrängt werden, in diese Richtung zu ermitteln
Ein klarer Zusammenhang zwischen der Todesliste und dem Mord an der Aktivistin konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Zudem berichtet Thielko Grieß, dass das LGBTQ-Netzwerk in Sankt Petersburg davon spricht, dass die Homophobie in der russischen Gesellschaft zurückgehe, vor allem jüngere Menschen seien eher tolerant.
"Ich unternehme keine besonderen Schritte zu meinem Schutz. Freunde wissen immer, wo ich bin. Aber ich verlasse nicht Stadt oder Land, bin nicht umgezogen, verstecke mich nicht. Ich gehe zur Arbeit, benutze öffentliche Verkehrsmittel. Ich lebe ein normales Leben."
Ein Problem sieht unser Korrespondent darin, dass die Polizei erst unter starkem Druck der LGBTQ-Community angefangen habe zu ermitteln, ob es sich bei dem Mord an der Aktivistin um eine Tat handele, die aus Hass erfolgt ist. Erst nachdem rund 300 Petitionen geschrieben worden waren, sollen die Behörden entschieden haben, auch dieses mögliche Tatmotiv zu untersuchen. Hetze im Netz ist ein großes Problem auf vielen Ebenen in Russland, sagt Thielko Grieß, werde aber eigentlich gar nicht strafrechtlich verfolgt.