Ōtsuka Ryūnosuke Taira no Masatomo hieß früher Markus Lösch, ist eigentlich Deutscher, war eine Zeit in Japan und unterrichtet heute altjapanische Kriegskunst in seiner Schule in München.
Ein altes Fabrikgelände am Rande von München. Zwischen Fitnessstudio, Künstleratelier und Fliesenhandel führt eine unscheinbare Tür in einen Turnhallen-großen Raum mit Holzschwertern und japanischen Schriftzeichen an der Wand. Ein Mann im schwarzen Kimono stellt sich vor: "Mein Name ist Ōtsuka Ryūnosuke Taira no Masatomo, gebürtiger Münchner, mit 18 nach Japan ausgewandert. Ich führe jetzt die sogenannte Hokushin Ittō-Ryū, eine altjapanische Kriegskunstschule in der siebten Generation."
Ōtsuka sieht so gar nicht japanisch aus: blonde Haare, blaue Augen, 1,85 Meter groß und die ein oder andere Narbe im Gesicht. Früher hieß er Markus Lösch. Heute ist er Samurai-Großmeister, 7. Soke. Er ist 27 Jahre alt und weltweit der einzige Nicht-Japaner, der so eine traditionsreiche Schule mit diesem Rang führt.
"1820 wurde die Schule gegründet, in Edo, im heutigen Tokio. Nächstes Jahr ist die 200. Jahresfeier. Meine Schule an die nächste Generation weiterzugeben, ist meine Verantwortung."
Ōtsuka übernahm die Schule vor drei Jahren von seinem japanischen Großmeister, seinem zweiten Vater, von dem er auch adoptiert wurde. Das ist in diesen Kreisen nicht ungewöhnlich. Den Hauptsitz hat er aus organisatorischen und ökonomischen Gründen nach München verlegt. In Japan und anderen europäischen Städten hat die Schule etliche Zweigstellen. Insgesamt gibt es 140 Schüler.
Mit 18 wandert er nach Japan aus
Mit 11 Jahren liest Ōtsuka den Klassiker "Shogun" von James Clavell. Das Buch fasziniert ihn und ist der Auslöser dafür, dass er beginnt, sich für japanische Kriegskunst zu interessieren. "Ich habe damals mit dem englischen Langbogen geschossen, also den Kriegsbögen wie sie im Hundertjährigen Krieg eingesetzt wurden," erzählt er. Mit 15 Jahren fängt er dann mit den japanischen Schwertkünsten Kendo und Iaido an.
"Die erste Hürde war es, die Sprache zu lernen, weil mein Meister weder englisch noch deutsch sprach. Also musste ich die Sprache erst mal so lernen, dass wir uns verständigen konnten."
Nach seinem Schulabschluss, mit 18 Jahren wandert er nach Japan aus. Als er dort ankommt, fühlt er sich sofort Zuhause – trotz anfänglicher Schwierigkeiten. Zunächst muss er Japanisch lernen, weil sein Meister weder englisch noch deutsch spricht. Hinzu kommt hartes Training – jeden Tag acht bis zehn Stunden. "Die Narben in meinem Gesicht sind Fechtnarben aus meiner Ausbildungszeit", sagt er.
Er lernt einerseits eine sehr strikte, sehr hierarchische, von Disziplin geprägte Welt kennen. Und auch heute, lässt er kaum Emotionen durchblicken. Anderseits strahlt er große Ruhe aus – das spirituelle und philosophische Erbe der Samurai zwischen Schintoismus und Buddhismus mit täglicher Meditation.
Eine Welt wie vor 200 Jahren
Heute unterrichtet er in einer Fabrikhalle in München. Seine Schülerinnen und Schüler lernen bei Ōtsuka Schwertkampf, aber auch die Traditionen, die zu der Kampfkunst dazugehören, etwa die Opfergaben, die vor dem Unterricht arrangiert werden: Wasser, Reis, Salz, Sake und Räucherstäbchen. Es ist eine ganz eigene Welt hinter der Tür in der alten Fabrikhalle: eine Welt wie vor 200 Jahren, geprägt von zahlreichen Regeln, von Codes, von Traditionen, auch vom Recht des Stärkeren.
Wer dazu gehören will, muss viel Zeit mitbringen und sich der strengen Anleitung von Ōtsuka hingeben. In einer Zeit des scheinbar alles möglich ist, in der Orientierung für viele schwer zu finden ist, kann das attraktiv sein. Während die Schülerzahlen in Japan abnehmen, hat die Schule in Deutschland immer mehr Zulauf.