Das ist den deutschen Richtern zu viel: Täglich 180 Urteile gegen Schwarzfahrer. Erstaunlich viele sitzen sogar im Gefängnis - weil sie kein Geld haben, die Strafe zu bezahlen.

Schwarzfahren ist in Deutschland eine Straftat. Allein die Berliner Justiz befasst sich nach Angaben des deutschen Richterbundes jedes Jahr mit rund 40.000 Delikten dieser Art. Weil die Fälle die Justiz geradezu vollspammen, fordert der Richterbund, den Straftatbestand abzuschaffen oder zumindest zu überarbeiten.

Das Problem wird der Justiz zugeschoben

Strafverteidiger Udo Vetter findet die Forderung berechtigt: "Schwarzfahren sollte kein Straftatbestand mehr sein." Der Strafverteidiger hat immer wieder mit solchen Betrugsfällen zu tun. "Schwarzfahrergeschichten machen 40 Prozent aller deutschen Betrugsfälle aus, die vor die Justiz gelangen", sagt er.

"Jeden Tag - samstags und sonntags eingeschlossen - werden 180 Menschen in Deutschland wegen Schwarzfahrens verurteilt."

Ein Teil des Problems: Die Verkehrsbetriebe kontrollieren nicht ausreichend. Sie verlassen sich lieber auf die Justiz, die die Abschreckung übernehmen soll, sagt Udo Vetter.

Aus Geldstrafe wird Haftstrafe

Die Forderung nach einer Streichung des Straftatbestands des Schwarzfahrens gibt es schon länger. Das wollte zuletzt im September 2017 der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU). Auch er argumentierte mit Entlastungen von Polizei und Justiz. Normales Schwarzfahren solle seiner Meinung nach künftig nur noch eine Ordnungswidrigkeit sein.

Befeuert wird die Debatte durch die jüngsten Ausbrüche von neun Gefangenen aus der JVA Plötzensee. Fünf entwichen aus dem offenen Vollzug mit geringen Sicherheitsstandards. Dort verbüßten sie Ersatzhaftstrafen.

Die muss antreten, wer Geldstrafen - etwa wegen Schwarzfahrens -  nicht zahlt. Im Dezember 2017 verbüßten von 362 Insassen in Plötzensee 102 eine solche Ersatzhaftstrafe.

"Das Problem für die Gerichte sind diejenigen, die nicht in der Lage sind, die Geldstrafen zu bezahlen. Die Leute haben einfach nicht das Geld."

Um wegen Scchwarzfahrens im Gefängnis zu landen, reicht es aber nicht, zwei, dreimal schwarz zu fahren, sagt Udo Vetter. "Da wird man schon 15-20 Mal aufgefallen sein müssen, um wirklich in den Knast zu müssen."

"Ich habe neulich jemanden verteidigt, der hat 21 Mal kein Ticket gehabt. Dann sagen die Richter manchmal schon, 'Oh, jetzt müssen wir dich mal so richtig in den Knast stecken.'"

Mehr zum Thema:

Shownotes
Schwarzfahrer im Gefängnis
"Die Leute haben einfach nicht das Geld"
vom 05. Januar 2018
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Udo Vetter, Strafverteidiger