Die Welt von ganz oben sehen – für Astronaut*innen ein Lebenstraum. Dass die meisten von ihnen, wenn sie längere Zeit im All waren, danach ein Brille brauchen, klingt dagegen weniger traumhaft. Warum das so ist und wieso ausgerechnet eine Manschette am Oberschenkel dagegen helfen könnte.
Laut der US-Weltraumagentur Nasa bekommen mindestens 2 von 3 Astronautinnen und Astronauten nach mehreren Monaten im All Probleme mit den Augen. Das Phänomen wird seit ein paar Jahren intensiv untersucht und trägt den sperrigen Namen: „raumfahrtbezogenes neuro-okulares Syndrom“ (SANS), erklärt Wissenschaftsjournalist und Astrophysiker Michael Büker.
"Beim 'raumfahrtbezogenen neuro-okularen Syndrom' tritt eine Schwellung im Inneren des Augen auf – die Raumfahrer werden zunehmend weitsichtig."
Dabei tritt eine Schwellung im Inneren des Augen auf – und zwar dort, wo an der Rückseite der Sehnerv aus dem Gehirn mit dem Auge verbunden ist. Dadurch verformt sich der Augapfel und die Raumfahrerinnen und Raumfahrer werden zunehmend weitsichtig.
Schwerelosigkeit: Flüssigkeit steigt im Körper nach oben
Die Ursache ist sehr wahrscheinlich die andere Verteilung von Flüssigkeiten im Körper: Während sie sich auf der Erde normalerweise in den Beinen oder im Unterleib befindet, steigt sie bei Schwerelosigkeit sehr viel höher. Dadurch schwellen unter anderem die Schleimhäute in der Nase, und deshalb berichten Astronautinnen und Astronauten auch häufig von einer Art Dauererkältung, unter der zum Beispiel auch ihr Geschmackssinn leidet. Deshalb ist auch scharfe Soße auf der Internationalen Raumstation ISS eine sehr beliebte Zutat beim Essen.
Die Augenprobleme sind jedoch ernster: Dabei steigt nämlich so viel Flüssigkeit ins Hirn, dass der Sehnerv gereizt wird, was dann eben den Augapfel verformt.
Lesebrille für Astronautinnen und Astronauten
Lange Aufenthalte im All führen also zu Weitsichtigkeit. Wenn Raumfahrende bereits eine Lesebrille hatten, brauchen sie nach einem halben Jahr im All eine stärkere, erklärt Michael Büker. Bei vielen geht die Einschränkung zurück, wenn sie wieder auf der Erde sind, bei manchen allerdings auch nicht.
Die Nasa schätzt dieses Problem als so ernst ein, dass es für Missionen von mehreren Monaten Gegenmaßnahmen ergreifen will. Problem: Die müssen erst noch entwickelt werden.
Manschette am Oberschenkel soll Schwerkraft nachahmen
Hoffnung macht eine Manschette am Oberschenkel. Die Idee: Man schnürt die Beine leicht ab, sodass ein Teil der Flüssigkeit dort bleibt, der eigentlich aufgrund der Schwerelosigkeit aufsteigen würde, erklärt Michael Büker. Man ahmt also den Effekt der Schwerkraft nach, der normalerweise hier auf der Erde die Flüssigkeit in unserem Körper nach unten zieht.
"Man schnürt die Beine leicht ab, sodass ein Teil der Flüssigkeit dort bleibt, der eigentlich aufgrund der Schwerelosigkeit aufsteigen würde."
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DZLR) forscht außerdem an Gegenmaßnahmen in Bettruhestudien: Dort ruhen Probanden wochen- und monatelang in einem leicht geneigten Bett, um den Effekt der Schwerelosigkeit zu simulieren. Was vielleicht gemütlich klingt, ist in der Praxis "eine ziemliche Hölle", sagt Michael Büker. Erforscht wird dabei unter anderem, ob es helfen kann, den Unterkörper in einer speziellen Kammer einem Unterdruck auszusetzen – um am Ende die Augen zu schonen.
Aufenthalt im All: Weitere Langzeitfolgen
Astrophysiker Michael Büker hat uns auch erklkärt, welche anderen Langzeitfolgen es für Astronautinnen und Astronauten noch gibt, wenn sie mehrere Monate im Weltall sind:
- Das größte Problem ist der Langzeit-Aufenthalt in der Schwerelosigkeit. Dadurch werden die Muskeln und Knochen viel weniger beansprucht. Um dem entgegenzuwirken, treiben die Besatzungsmitglieder der Internationalen Raumstation auf speziellen Trainingsgeräten zwei Stunden Sport am Tag. Doch auch das kann das Problem nur einigermaßen eindämmen, nicht beseitigen.
- Weltraumstrahlung ist ebenfalls ein Gesundheitsproblem, aber eher langfristig: Während eines Raumflugs richtet sie sehr wahrscheinlich zwar keine akuten Schäden an. Über die Jahre, wenn man immer wieder in den Weltraum fliegt, steigt allerdings das Risiko, an Krebs zu erkranken, oder unfruchtbar zu werden. Unter anderem deshalb ist die Aufenthaltszeit von Menschen im All auch begrenzt.
"Es gab überhaupt nur sechs Menschen in der Geschichte der Raumfahrt, die über ihr ganzes Leben gerechnet mehr als zwei Jahre im All gewesen sind."
